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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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einst einträchtigen Quartett so viele gegenseitige Vorwürfe angesammelt, dass der Konflikt
     um die Solistin über einen einfachen Streit hinausging. Die Mädchen prügelten sich wie Kriminelle imStraflager. Zwei der vier kamen ins Krankenhaus. Die dritte war zwar glimpflich davongekommen, stand aber derartig unter Schock,
     dass sie sich mit einer kräftigen Dosis Heroin kurieren wollte und ebenfalls im Krankenhaus landete. Die Tournee stand auf
     der Kippe. Der Produzent Gena betrank sich vor Kummer. Irgendwer musste ihn trösten, und das übernahm Angela, die heil aus
     der Prügelei hervorgegangen war. Im Gegensatz zu den drei anderen hatte sie keinen Anspruch auf die Rolle der Solistin erhoben.
    Gena Sitnikow weinte sich an Angelas Schulter aus. Sie schlug ihm schüchtern einen Ausweg vor: Sie sei bereit, die Tournee
     allein anzutreten und alle Songs allein zu singen. Der Produzent lebte auf, wurde wieder nüchtern, telefonierte, lief herum,
     traf Absprachen und ließ neue Plakate drucken: ANGELA, die Solistin der beliebten Gruppe »Miau!« werde in Sibirien auftreten.
    Die Tournee war ein Erfolg. Nach und nach verschwanden die blassen Schatten der Vergangenheit von den Plakaten. Der Gruppenname
     »Miau!« wurde nicht mehr erwähnt. Es blieb nur ANGELA.
    Das war die zweite entscheidende Frage gewesen, die das Leben ihr gestellt und die sie glänzend beantwortet hatte.
    Die dritte war eine Reise nach Moskau. Angela hatte inzwischen zwei eigene Videoclips im Swerdlowsker Fernsehen aufzuweisen,
     eine CD und einen dünnen Stapel Zeitungsausschnitte, in denen ihr Name erwähnt wurde. Die Einladung nach Moskau kam vom Besitzer
     einer Kette von Businessklubs.
    Gena war entschieden dagegen. Er meinte, es sei für sie zu früh, nach Moskau zu fahren, erst müsse sie hier in Swerdlowsk
     ein gewisses Niveau erreichen, bevor sie in Moskau auftrete, und dann nicht in irgendwelchen dubiosen Klubs, sondern an seriösen
     Orten. Angela hörte nicht auf ihn, sie stritten sich.
    Gena hatte recht – die Klubs waren zwei Keller, das Publikum ziemlich unpassend: Kleine Kriminelle, unbedeutende Geschäftsleute,
     Kioskinhaber und Huren vom selben Kaliber. An den Tischen wurde gemampft und getrunken, niemand hörte Angela zu.
    Der Klubinhaber brachte sie in einem Hotel am Stadtrand unter, in dem es kein heißes Wasser gab und die Bettwäsche nicht gewechselt
     wurde. An den ersten zwei Tagen wurde sie zu den Auftritten mit einem Wagen abgeholt, einem schäbigen Shiguli, dann musste
     sie die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Am Ende des Monats bekam sie nur ein Drittel der versprochenen Gage. Sie musste
     zurück nach Swerdlowsk.
    Am Tag vor ihrer Abreise streifte sie wütend und gekränkt im Zentrum von Moskau herum. Nasser Schnee fiel. Frierend und erschöpft
     ging sie auf dem Arbat in einen Friseursalon, einfach so, aus Überdruss, ließ sich ihr blondes Haar lila färben und zu achtzig
     dünnen Zöpfen mit bunten Plastikperlen darin flechten, konnte sich jedoch nicht daran freuen und verließ den Salon fast weinend.
     Sie lief weiter und geriet in ein schmutziges Kellergelass mit Pornobildern an der Wand, wo ein langhaariges Geschöpf unbestimmbaren
     Geschlechts ihr für hundert Rubel eine farbige Rose auf die Schuler tätowierte.
    »Was machst du denn so?«, fragte das Geschöpf.
    »Ich singe«, antwortete Angela traurig.
    »Na los, sing mal was.«
    Freudlos sang sie ein paar Strophen.
    »Hör mal, das ist toll!«, sagte der Tattoo-Künstler. »Bist du heute Abend frei?«
    »Ja. Wie der Wind«, seufzte Angela.
    »Gleich nebenan ist ein Klub. Da könntest du heute Abend singen. Unentgeltlich. Aber dafür sind da immer berühmte Leute. Du
     wirst auffallen, garantiert. Du singst toll.«
    Sie ging hin und sang, begleitet von einem echten Klavier, an dem ein mürrischer zottelhaariger Kerl von Mitte vierzig saß.
     Ihm fiel sie auf, und nach einer stürmischen Nacht in seiner Wohnung nahm er sie mit an einen seriöseren Ort – in ein Jazzcafé.
    Nach zwei erfolgreichen Auftritten rief sie Gena in Swerdlowsk an und bat ihn zu kommen – es gebe einige Aussichten.
    Der Produzent kam, sah sich um, entfaltete rege Tätigkeit, klapperte seine Moskauer Beziehungen ab, und ein halbes Jahr später
     hatte Angela eine weitere CD aufgenommen, in Moskau, und eine gewisse Berühmtheit erlangt. Sie sang in teuren Restaurants
     und angesagten Klubs. Sie hatte sich das Haar kurzgeschnitten und schwarz gefärbt, acht Kilo

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