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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Schwester Katja kam auf sie zu, beinahe rennend.
    »Julia! Der Oberst ist da, Sie möchten zu ihm kommen, hat er gesagt, sofort. Gehen Sie nur, ich begleite den Patienten.«

Siebzehntes Kapitel
    In der Nacht klarte der Himmel über den Sajan-Bergen auf. Im Garnisonsstädtchen war der Strom abgeschaltet.
    Der rosarote Vollmond schien zum Fenster herein und gab nicht das geringste Licht. Im stockfinsteren Zimmer klaubte Natalja
     die nassen Vergissmeinnicht vom Boden auf. Es tat ihr leid, sie wegzuwerfen, und sie hätte schrecklich gern geweint.
    Sie tastete nach dem Petroleumkocher und versuchte lange, ihn anzuzünden; der Docht rußte und stank, und die Flamme wollte
     nicht brennen. Natalja schleuderte die Streichholzschachtel beiseite, legte sich hin, drehte sich zur Wand, fing an zu weinen
     und schlief unversehens ein. Sie hörte nicht, wie Wladimir zurückkehrte und den Kocher anzündete, sie erwachte erst, als er
     sich zu ihr auf die Liege setzte, ihr über den Kopf strich und sie auf den Hals küsste.
    »Hör mal, vielleicht sollten wir dich doch schon früher nach Abakan bringen?«, fragte er in anheimelndem Flüsterton. »Wer
     weiß, vielleicht sind es ja wirklich Zwillinge.«
    Natalja setzte sich auf und barg ihr Gesicht an seiner Schulter.
    »Ja, Wladimir, wir wollen doch nichts riskieren, lass uns früher hinfahren.«
    »Was haben wir heute? Donnerstag? Ich glaube, am Sonntag hätte ich eine Transportmöglichkeit.«
    »Einen Hubschrauber?«, fragte Natalja erfreut.
    »Für Ende der Woche ist schlechtes Wetter vorausgesagt. Starker Wind, Sturm. Außerdem würde ich sowieso keinen Hubschrauber
     kriegen. Wenn ich Major wäre, dann schon,aber so krieg ich nur einen Jeep. Doch damit kommen wir prima nach Abakan. Ich fahre selbst. Wollen wir für alle Fälle die
     Pantelejewna mitnehmen?«
    »Wozu?«
    »Wer weiß? Wir sind immerhin zwölf Stunden unterwegs, wenn es dir nun unterwegs plötzlich schlecht geht?«
    Am nächsten Morgen schaute Natalja bei der Pantelejewna vorbei, und nach kurzem Überreden willigte die Feldscherin ein.
    Sie beschlossen, im Morgengrauen aufzubrechen, um die gefährlichsten Abschnitte der Bergstraße noch im Hellen zu passieren.
     Wladimir überprüfte das Auto noch einmal und tankte es voll. Auf die Rückbank legten sie zwei Decken und zwei Kissen, zum
     Schlafen unterwegs. Der Morgen war still und sonnig. Natalja setzte sich nach vorn, neben Wladimir. Die Pantelejewna richtete
     sich hinten ein, und bald drang von dort dröhnendes Schnarchen.
    Die alte Chaussee war fast leer, doch Wladimir fuhr trotzdem langsam und vorsichtig. Natalja spürte, dass er aufgeregt war,
     und das freute sie. Draußen dampften die verschleierten Sajan-Berge, am Straßenrand, am Fuß der Berge, wuchsen leuchtende
     Vergissmeinnicht, noch feucht nach der nebligen Nacht. Natalja fielen die Augen zu, und sie schlief ein.
    Sie erwachte von einem lauten Poltern und davon, dass der Wagen stand. Wladimir war weg. Auf das Planendach des Jeeps prasselten
     große Regentropfen. Es war düster und kalt.
    »Was ist passiert?«, fragte sie die Pantelejewna. «Wo ist Wladimir?«
    »Ach, so ein Pech«, murmelte die Alte undeutlich, »eine Panne. Wladimir wechselt den Reifen.«
    Natalja öffnete die Tür, lehnte sich hinaus und bekam sofort einen kalten Guss ab. Durch den Regenschleier sah sie Wladimir
     vorm rechten Hinterrad hocken.
    »Bleib im Auto, du erkältest dich!«, rief er. »Wir fahren bald weiter, halb so schlimm.«
    Natalja kroch folgsam zurück und schloss die Tür. Von ihren Haaren troff Wasser, ihr war kalt in dem Sommerkleid und der dünnen
     Strickjacke, und vom unbequemen Schlafen im Sitzen tat ihr das Kreuz weh. Sie bat die Pantelejewna um eine Decke. Die Alte
     kramte lange herum und reichte ihr schließlich ein kleines Plaid aus dickem Flanell. Natalja wickelte sich darin ein, zitterte
     aber trotzdem – vor Kälte oder vor Aufregung. Die Kreuzschmerzen ließen nicht nach. Sie kamen in Wellen, so stark, dass sie
     am liebsten gestöhnt hätte.
    Wladimir stieg ins Auto. Er war patschnass.
    »Ich will nur ein bisschen verschnaufen und mich aufwärmen, dann mach ich weiter«, sagte er übertrieben munter. »Wie fühlst
     du dich? Gehts?«
    »Alles in Ordnung«, antwortete sie ebenso munter. »Pass auf, dass du dich nicht erkältest. Du müsstest dich eigentlich umziehen.
     Ach, wie dumm von mir, ich habe für dich überhaupt nichts zum Wechseln mitgenommen.«
    »Na ja, wer konnte so was ahnen?«

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