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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Und viele denken: Warum sie und nicht ich? Also sucht man nach einem hässlichen,
     schmutzigen Grund. Aber kann mir mal einer sagen, wieso ein tschetschenischer Terrorist in mich investieren sollte? Was hätte
     er davon? Und warum ausgerechnet in mich?« An dieser Stelle hobsie meist ziemlich scharf die Stimme und beugte sich leicht vor. Das wirkte wie ein echter Gefühlsausbruch, in Wirklichkeit
     aber waren jede Nuance ihrer Stimme, jede Geste gründlich überlegt und mit Rekorder und Spiegel geprobt. Sie musste stets
     wissen, wie sie aussah und klang.
    Die Journalisten waren in der Regel verwirrt und fanden nicht gleich eine Antwort. Doch sobald einer darauf reagieren wollte,
     sprach sie selbst weiter, schon ruhiger und sanfter: »Kinder, das wird vielleicht manch einen enttäuschen, aber ich bin ein
     Star geworden, weil ich Talent habe.«
    Einmal verschwand Schamil für ein halbes Jahr. Als er wieder auftauchte, legte er ihr ein paar dicke Plastiktüten mit einem
     weißen Pulver hin und sagte: »Du fährst doch morgen nach Krasnojarsk. Du musst das hier in deinem Gepäck verstecken. Dort
     wird dich ein Mann aufsuchen, dem gibst du das. Sieh dir das Foto genau an und präg dir sein Gesicht ein. Du musst ihn erkennen.«
    »Spinnst du?«, flüsterte Angela. »Ich will nicht, das kann ich nicht, ich hab Angst.«
    »Du musst es tun. Für mich.«
    Sie wurde hysterisch, und er beruhigte sie, nahm sie auf die Arme und schloss ihr mit seinen harten heißen Lippen den Mund.
     Da wurde ihr klar, wie sehr sie ihn in diesem halben Jahr vermisst hatte.
    Sie legte die Päckchen mit dem Heroin in ihren Koffer, zwischen ihre Kleider, und gab ihn auf. Natürlich zitterte sie, ihr
     Mund war furchtbar trocken, doch es ging alles glatt. Das Mädchen an der Gepäckaufgabe bat sie schüchtern um ein Autogramm.
     In Krasnojarsk klopfte der Mann, den sie vom Foto kannte, am frühen Morgen an ihrer Zimmertür im Hotel. Er grüßte höflich
     und verstaute die Päckchen in einer Sporttasche.
    Fortan musste sie bei fast jeder Tournee irgendetwas mitnehmen oder übergeben. Nicht unbedingt Drogen. Manchmalgroße Geldsummen, manchmal Disketten, Videokassetten oder Mappen mit Dokumenten. Sie gewöhnte sich fast daran. Hin und wieder
     gab sie außerplanmäßige Konzerte in hippen Klubs, damit ihr lieber Schamil eine Partie synthetischer Drogen an die Mädchen
     und Jungen verkaufen konnte, die ihre Musik mochten.
    Die Mädchen und Jungen taten ihr nicht leid. Jeder kann sich entscheiden. Es gibt genug Informationen über Drogen, wenn du
     Verstand im Kopf hast, weißt du, worauf du dich einlässt und wie das ausgeht.
    Sie zum Beispiel, Angela Boldjanko, hatte genug Willenskraft, nicht an die Nadel zu geraten, obwohl es ihr mit ihrem irren
     Lebensrhythmus und ihrem enormen Stress unglaublich schwerfiel, clean zu bleiben.
    »Ich hab nur mich«, erklärte Angela, wenn bissige Journalisten sie nach Drogen fragten, »ich hab mich nicht in der Gosse gefunden
     und will auch nicht dort landen.«
    Einmal sollte sie fünfhunderttausend Dollar übergeben. Sie verstaute sie wieder im Koffer, und erst im Bus zum Flughafen entdeckte
     sie, dass ihr Schlagzeuger Igor den gleichen Koffer hatte. Sie wurde nervös, fand aber rasch einen Ausweg. Sie befestigte
     ihren Schlüsselbundanhänger mit dem winzigen Plüschteddy an ihrem Koffer.
    Doch auf dem Flughafen wollte Igor noch etwas aus seinem Koffer nehmen, bevor er ihn aufgab, und griff natürlich nach dem
     falschen. Sie sah es erst, als der offene Koffer ganz in der Nähe der Zollbeamten auf dem Boden lag und Igor davor hockte
     und dicke Dollarbündel in der Hand hielt.
    Angela wurde schwindlig, sie wäre beinahe gestürzt. Auf Wattebeinen trat sie zu Igor und lachte laut.
    »Na, was glotzt du so? Freu dich nicht zu früh, die sind falsch!«
    Sie spürte regelrecht, wie sich eine schreckliche, eisigeStille ausbreitete. Alle – Zollbeamte, Passagiere und die Jungs aus ihrer Band sahen sie schweigend an.
    »Mein Gott, habt ihr meinen besten Clip vergessen, den mit dem Dollarregen?«, rief sie fröhlich. »Daher stammen die Scheine,
     ich will den Clip beim Konzert live wiederholen!«
    Alles ging noch mal gut. Zwei junge Zollbeamte baten sie um ein Autogramm. Anschließend war sie den Jungs aus der Band eine
     Erklärung schuldig. Der Clip mit dem Dollarregen existierte wirklich, aber bisher war nie die Rede davon gewesen, daraus eine
     Konzertnummer zu machen. Im Übrigen fanden sie die Idee gar

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