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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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dieser Meinung ist, war’s das dann? Ist er fertig? Oder ist er immer noch gefährlich?«
    Don nippte an seinem Kaffee.
    »Sie stapeln hier eine Hypothese auf die nächste«, stellte er fest.
    »Ich befinde mich nicht vor Gericht«, gab ich zurück.
    »Ich kann aufeinander stapeln, was ich möchte. Mich interessiert nur, ob es denkbar ist, dass er sich endgültig ausgetobt hat.« Ich hörte selbst, wie wacklig meine Stimme klang, und versuchte durch Husten davon abzulenken.
    Don schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid. Das kann man alles erst im Nachhinein sagen. Wenn Menschen etwas getan, ein Verbrechen begangen haben und dafür eingesperrt worden sind, dann kommen die Psychologen und Psychiater aus ihren Löchern gekrochen, um ihre Tests durchzuführen und mit großer Autorität ihre Urteile zu verkünden. Bezeichnenderweise klaffen die Meinungen der Experten oft weit auseinander. Sie werden zu jedem beliebigen Punkt Pro- und Kontra-Stimmen finden.«
    »Danke«, antwortete ich resigniert. Als ich mich ihm zuwandte, bemerkte ich, dass er ein schmales Gesicht und kastanienbraunes Haar hatte und mich mit einem sehr freundlichen Blick musterte.
    »Halten Sie sich von ihm fern«, fügte er hinzu.
    »Mache ich.«
    »Kommen Sie klar?«
    »Das wird sich zeigen.« Rasch ging ich zum Fenster und schloss es. Im Raum war es gleich viel stiller. Ich warf einen Blick auf meine Uhr. »Noch vier Minuten.«
    »Dann sollte ich jetzt wohl besser gehen«, sagte er. »Sie sehen aber nicht glücklich aus.«
    »Wahrscheinlich wird es nächstes Mal irgendjemand Fremden treffen, aber das macht es auch nicht besser.« Ich begann die Laken einzusammeln. »Man kann doch nicht einfach am Ufer sitzen bleiben und die Leute ertrinken lassen.«
    Einen Moment lang sah er aus, als wollte er etwas sagen, schien es sich dann aber anders zu überlegen.
    »Worüber werden Sie sprechen?«, fragte ich.
    Er runzelte die Stirn.
    »Ein psychologisches Syndrom, das nur ganz selten vorkommt. Sehr, sehr selten. Nur etwa vier Leute auf der Welt haben es jemals gehabt.«
    »Wieso halten Sie dann einen Vortrag darüber?«
    Er überlegte einen Moment.
    »Wenn ich anfangen würde, mir solche Fragen zu stellen«, entgegnete er dann, »wo käme ich da hin?«

    Ich ging noch einmal zu der Therapeutin, Katherine Dowling.

    Eine ganze Weile saß ich schweigend da, versuchte eine Entscheidung zu treffen. Sollte ich mich mit der Welt oder mit meinem eigenen Kopf auseinander setzen? Ich sah auf meine Uhr. Es waren bereits mehr als zehn Minuten vergangen. Ich erzählte ihr meinen Traum.
    »Was bedeutet das für Sie?«
    »Ich möchte gern weiter zu Ihnen kommen«, antwortete ich,
    »aber erst in ein paar Wochen. Oder ein paar Monaten.«
    »Warum?«
    »Ich muss erst ein paar Dinge klären.«
    »Aber deswegen sind Sie doch hier, dachte ich.«
    »Hier kann ich sie nicht klären.«
    Nach einer halben Stunde ging ich wieder. Sie berechnen einem trotzdem den vollen Preis.

    Du hast dich nicht umgebracht, stimmt’s? Natürlich nicht. Ich hätte keine Sekunde daran zweifeln dürfen. Du hast dich nicht umgebracht, und Lauras Tod war kein Unfall. Ich habe es immer gewusst. Die Frage ist nur, was soll ich jetzt tun, Troy?
    Ich kann doch nicht einfach gar nichts tun, oder?
    Nein. Natürlich kann ich das nicht.
    Eigentlich sollte ich selbst Angst haben, aber seltsamerweise habe ich keine. Kein bisschen. Ehrlich gesagt ist mir meine eigene Sicherheit inzwischen völlig egal. Ich habe das Gefühl, mitten in einem wilden Sturm am Rand einer Klippe zu stehen, und es ist mir egal, ob ich hinunterfalle oder nicht. Manchmal kommt es mir fast vor, als würde ich gerne fallen.
    Ich hoffe, es hat nicht lange gedauert. Ich hoffe, du hast es nicht mitbekommen, ich könnte es nicht ertragen, wenn du es mitbekommen hättest.

    32. KAPITEL
    Ich konnte es nicht lassen. Ich war wie eine Biene, die einen Honigtopf umschwirrte. Nein, das stimmt nicht. Honigtöpfe sind gut für Bienen. Ich war wie ein Honigtopf, der wusste, dass irgendwo eine Biene herumschwirrte. Ich war wie eine Motte, die von einer Flamme angezogen … Nein, das stimmt erst recht nicht. Ich hatte mal einen Freund, der Biologie studierte und sich besonders für Insekten interessierte, was ein Teil unseres Problems war. Als wir uns das allererste Mal trafen, klärte er mich darüber auf, dass Nachtfalter und Motten nicht wirklich von Flammen angezogen würden. Das sei ein Mythos. Ein Motten-Mythos. Seine Worte. Wir waren beide in der

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