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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Studentenvereinigung, und er wirkte an dem Tag total genervt.
    Natürlich war unsere Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, auf Dauer mit einem Typen zusammen zu sein, der einem Mädchen zur Begrüßung erst mal eine interessante Tatsache über Motten erzählte. Das Komische daran ist, dass mir heute, ungefähr fünf Jahre später, zu diesem Jungen noch genau zwei Dinge einfallen: sein Name – er hieß Marc – und die interessante Tatsache, die er mir über Motten erzählte und die bewirkte, dass ich mich gar nicht erst richtig in ihn verliebte. Dass ich mir die Sache mit den Motten gemerkt habe, liegt wohl daran, dass ich sie wirklich ziemlich interessant fand.
    Ich war damals der festen Überzeugung gewesen, dass Marc Unrecht hatte. Als Argument führte ich an, ich sei mal mit meiner Familie beim Zelten gewesen, und die Lampe, die mein Vater an einer der Stangen befestigte, habe eine Wolke aus Mücken, Motten und Nachtfaltern angezogen. Marc schüttelte den Kopf. Das sei eine Illusion, meinte er. Sie würden lediglich versuchen, sich nach dem Mond auszurichten, indem sie immer im gleichen Winkel zu den Mondstrahlen flogen. Bei einer nahe gelegenen Flamme gelinge ihnen das nur, indem sie sie umkreisten. In der Praxis aber würden sie ihre Kreise immer enger ziehen, letztendlich also spiralenförmig auf die Flamme zufliegen. Es handle sich nicht um Anziehung, sondern um einen Navigationsfehler. Ich weiß noch, dass ich einen Moment über seine Erklärung nachdachte. Wahrscheinlich war ich an dem Tag auch ein bisschen genervt. »Gut tut ihnen das aber nicht«, sagte ich schließlich. »Am Ende landen sie trotzdem in der Flamme.« Worauf Marc antwortete: »Na und? Es sind doch nur blöde Falter.« Das war ein weiteres schlechtes Vorzeichen.
    Er empfand kein Mitgefühl für Tiere.
    Wie auch immer, Fakt ist jedenfalls, dass Motten nicht wirklich von Flammen angezogen werden. All die Lieder und Gedichte haben Unrecht. Fakt ist aber auch, dass die Flamme nicht gerade zur Erhaltung des Mottenbestands beiträgt. Ich hatte im Moment viel Arbeit, musste mich um eine neue Bleibe kümmern und im Hinblick auf mein Leben wichtige Entscheidungen treffen – Entscheidungen, bei denen man am besten eine Münze wirft, weil man mit rationalen Überlegungen sowieso nicht weiterkommt. Obwohl ich also weiß Gott genug anderes zu tun gehabt hätte, durchwühlte ich die Taschen sämtlicher Jacken, die in meinem Schrank hingen, bis ich schließlich die Nummer fand, die David mir auf die abgerissene Ecke einer Zeitung gekritzelt hatte, die Nummer des Typen von der Schlittschuhbahn, der Brendan gekannt hatte. Jeff Locke.
    »Brendan Block? Der Typ, der immer so seltsame Pizzas bestellt hat?«
    »Du warst also auch der Meinung, dass er irgendwas Seltsames an sich hatte?«
    »Auf jeden Fall.«
    »Du hättest mich vor ihm warnen sollen.«
    »Man kann doch nicht rumlaufen und wie ein Polizist die Leute belehren. Hat er inzwischen nicht geheiratet?«
    »Sie ist gestorben.«
    »Wer? Du meinst, seine Frau?«
    »Sie war eine Freundin von mir«, antwortete ich.
    »Das tut mir Leid.«
    »Schon gut. Wie hast du ihn kennen gelernt?«
    Er musste einen Moment überlegen. »Ich glaube, durch einen Typen namens Leon. Seine Nummer habe ich leider nicht, aber ich weiß, wo er arbeitet.«

    »Spreche ich mit Leon Hardy?«
    »Ja.«
    »Ich versuche Brendan Block ausfindig zu machen.«
    »Ach, den. Ich kenne ihn nur ganz flüchtig, aber ich glaube, Craig kennt ihn näher.«
    »Craig?«
    »Craig McGreevy. Er arbeitet für die Idiosyncratic Film Distribution Company in Islington.«

    »Bitte entschuldigen Sie die Störung. Mein Name ist Miranda Cotton, ich bin eine alte Freundin von Brendan Block. Ich müsste ihn dringend erreichen. Können Sie mir da vielleicht weiterhelfen?«
    »Ich bin nicht sicher«, antwortete er. »Ich habe ihn schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, aber ich kann Ihnen eine Nummer geben.«
    Als er mir daraufhin meine eigene Nummer vorlas, konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen.
    »Dort habe ich es schon versucht«, antwortete ich. »Da wohnt er nicht mehr. Fällt Ihnen vielleicht sonst noch jemand ein, der mir weiterhelfen könnte? Wie haben Sie Brendan kennen gelernt?«

Er schwieg einen Moment. Daran hatte ich mich inzwischen schon gewöhnt. War das normal, oder lag es an Brendan? Wenn ich an meine eigenen Freunde dachte, konnte ich sofort sagen, woher ich sie kannte. Entweder von

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