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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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dachte …«
    »Ins Heim?« Ihr Lachen klang wie ein hohes, heiseres.
    Keuchen. »Woher haben Sie denn diesen Unsinn?«
    »Das heißt, er musste nie von zu Hause weg?«

    »Nein, wieso auch? Wir hatten doch immer jemanden, der sich um uns kümmerte, erst unsere Mum und dann unsere Nan. Wir waren nie im Heim. Sie sollten aufpassen, was Sie sagen.«
    »Ich muss das irgendwie falsch verstanden haben«, erklärte ich in beschwichtigendem Ton.
    Sie zog an ihrer Zigarette und blies dann eine blaue Rauchwolke in die Luft.
    »Si war kein schlechter Junge«, sagte sie.
    »Auf welche Schule ist er gegangen?«
    »Overton«, antwortete sie. »Wieso wollen Sie das wissen? Er war im Unterricht immer gut, er hat es bloß gehasst, wenn ihm jemand befahl, was er zu tun hatte, oder ihn kritisierte. Er hätte keine Probleme gehabt, wenn sie ihn nicht …« Sie hielt inne.
    »Was?«
    »Egal.«
    »Haben sie ihn bestraft?«
    »Es wird nicht gern gesehen, wenn Jungen wie er zu gescheit sind.«
    »Er wurde von der Schule verwiesen?«
    Sie drückte die Zigarette aus, kippte den Rest ihrer Limonade hinunter und stand auf. »Ich sehe lieber mal nach, was meine Kleinen da drin treiben.«
    Ich starrte sie an. »Was ist dann passiert, Susan?«
    »Sie finden bestimmt selbst hinaus.«
    »Susan, bitte! Was hat er gemacht, nachdem er von der Schule verwiesen wurde?«
    »Wer sind Sie überhaupt?«
    »Das habe ich Ihnen doch gesagt. Eine Bekannte von Brendan.«
    »Brendan? Brendan? Was soll das?«
    »Simon, meine ich natürlich.«

    »Ich habe die Nase voll von Leuten, die ihre Nase in unsere Angelegenheiten stecken. Leben und leben lassen, das ist meine Devise. Außerdem glaube ich Ihnen sowieso nicht, dass Sie Si helfen wollen. Sie wollen bloß spionieren!«
    Der feindselige Ton, mit dem sie das Wort aussprach, erinnerte mich erneut an Brendan. Er mochte seine Vergangenheit hinter sich gelassen, einen anderen Namen angenommen und sich von Grund auf neu definiert haben, aber irgendwie war er trotzdem mit all seinen Wurzeln verbunden geblieben.
    »Verlassen Sie mein Haus«, sagte sie. »Und zwar schnell.
    Ziehen Sie Leine, bevor ich die Polizei rufe.«

    Also ging ich – hinaus in die frische Luft, wo sich der Himmel nach einem schweren Regenguss gerade wieder aufzuhellen begann. Das bedrohliche Dunkelgrau löste sich in einzelne Wolken auf, und am Horizont konnte man bereits einen Streifen Blau sehen. Ich trank einen Schluck Wasser und schob mir ein Pfefferminzbonbon in den Mund, dann ließ ich den Wagen an.
    Ich fuhr dieselben Straßen zurück, die ich gekommen war, aber nach ein paar Minuten hielt ich wieder an. Brendan ließ nie etwas auf sich beruhen, dachte ich grimmig. Nie.
    Ich öffnete das Fenster, und als eine Frau vorbeiging, beugte ich mich hinaus und fragte: »Endschuldigen Sie, könnten Sie mir vielleicht sagen, wo die Overton High School ist?«

    Anscheinend hatten einige Klassen gerade Schulschluss. Die meisten Kinder, die aus dem Gebäude strömten, waren mit schweren Rucksäcken beladen, ein Teil trug zusätzlich Musikinstrumente oder Sportbeutel. Ich blieb im Wagen sitzen und beobachtete sie eine Weile. Eigentlich wusste ich selbst nicht so recht, was ich hier eigentlich wollte. Dann stieg ich aus und schlenderte zu zwei Frauen hinüber, die sich neben ihren Autos unterhielten.
    »Darf ich Sie kurz stören?«, fragte ich.
    Sie sahen mich erwartungsvoll an.
    »Ich ziehe demnächst in diese Gegend«, erklärte ich. »Und meine Kinder – nun ja, ich wollte Sie fragen, ob Sie diese Schule empfehlen können.«
    Eine der beiden zuckte mit den Achseln. »Sie ist ganz in Ordnung«, meinte sie.
    »Ist das Unterrichtsniveau gut?«
    »Normal, würde ich sagen. Nicht schlecht, aber auch nicht spektakulär. Deine Ellie kommt recht gut klar, oder?«, wandte sie sich an die andere Frau.
    »Gibt es viele schwarze Schafe, die die anderen schikanieren?«
    »Die gibt es an jeder Schule.«
    »Oh«, antwortete ich lahm. Dann fügte ich hinzu:
    »Ein Freund von mir ist hier zur Schule gegangen. Lassen Sie mich überlegen … das muss zwölf oder dreizehn Jahre her sein.
    Er hat mal was von irgendeinem Zwischenfall erwähnt.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich weiß nicht mehr genau, worum es dabei ging. Nur, dass er von einem Vorfall erzählt hat …«
    »Keine Ahnung«, sagte eine der beiden Frauen. »Irgendwelche Vorfälle gibt es doch immer.«
    »Er hat bestimmt das Feuer gemeint«, mischte sich die andere ein. »Das war natürlich vor unserer Zeit,

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