Der falsche Freund
vergleichen. Und zweitens: Was genau wollen Sie eigentlich unternehmen?«
»Ganz einfach«, sagte ich. »Ich möchte herausfinden, ob er inzwischen eine neue Freundin hat. Falls ja, dann ist sie in Gefahr, und ich muss sie warnen.«
»Sie wird Ihnen dafür nicht unbedingt dankbar sein«, gab Don zu bedenken. »Eine solche Geste könnte falsch verstanden werden.«
»Das macht nichts«, antwortete ich. »Ich bin hart im Nehmen.«
»Und Sie könnten sich dadurch in Gefahr bringen.«
Als er das sagte, lief ein Schaudern durch meinen Körper, aber nicht vor Angst, eher vor Aufregung. Ich hatte das seltsame Gefühl, aus meinem alten Leben und allem, was mich lähmte, herauszutreten.
»Das spielt keine Rolle«, entgegnete ich.
»Werden Sie auf sich aufpassen?«
»Ja«, antwortete ich, meinte damit aber nein. Ich würde nicht auf mich aufpassen, mich von nichts und niemandem aufhalten lassen.
Ich wollte Brendan finden, ohne dass er mitbekam, dass ich ihn gefunden hatte. Das war schwieriger, als ich dachte. Ich rief eine alte Freundin von Laura an, die ich auf der Beerdigung gesehen hatte. Ich vermutete, dass sie mit ihm in Kontakt war. Als ich meinen Namen nannte, klang sie plötzlich ziemlich verlegen und reserviert. Anscheinend hatte sie irgendwelche Geschichten über Brendan, Laura und mich gehört. Einen Moment lang fragte ich mich, ob die Leute wohl Mitleid mit mir hatten. Glaubten sie vielleicht, dass ich auf irgendeine Weise für alles verantwortlich war? Ich schob den Gedanken schnell wieder beiseite. Nachdem ich ihr erklärt hatte, dass ich mich mit Brendan in Verbindung setzen wolle, erkundigte ich mich, ob er noch unter Lauras Nummer zu erreichen sei. Sie wusste es nicht, riet mir aber, bei Lauras Eltern nachzufragen.
Ich tat, wie mir geheißen, und bekam Lauras Mutter an die Strippe. Sie klang müde und sprach sehr langsam, als hätte ich sie mitten am Tag aus dem Bett geholt. Wahrscheinlich nahm sie irgendwelche Medikamente. Wie meine Mutter. Ich nannte meinen Namen und sagte ihr, dass ich eine alte Freundin von Laura sei.
»Ja«, antwortete sie. »Ich glaube, Laura hat mal Ihren Namen erwähnt.«
»Ich war auf der Beerdigung. Es tut mir so Leid. Eine schreckliche Sache.«
»Danke.« Sie sagte das, als hätte ich ihr ein Kompliment gemacht.
»Ich würde mich gern mit Brendan in Verbindung setzen«, fuhr ich fort, »und dachte mir, Sie könnten mir vielleicht sagen, wo er zurzeit erreichbar ist.«
»Nein, tut mir Leid«, antwortete sie.
»Er wohnt nicht mehr in Lauras Wohnung?«
»Nein«, antwortete sie. »Die Wohnung steht zum Verkauf.«
»Ich möchte Ihnen wirklich nicht auf die Nerven fallen, aber könnten Sie mir vielleicht seine Adresse geben?«
»Wir haben schon eine ganze Weile keinen Kontakt mehr mit ihm. Er hat gemeint, er brauche Abstand.«
Ich fand es unglaublich, dass Brendan seinen Schwiegereltern keine Adresse hinterlassen hatte. Was würde mit Lauras Vermögen passieren? Würde er die Hälfte bekommen? Oder alles? Aber das waren keine Fragen, die ich Lauras trauernder Mutter stellen konnte. Nun fiel mir nur noch eine Möglichkeit ein, und zwar eine, bei der ich von vornherein ein ungutes Gefühl hatte. Ich rief Detective Inspector Rob Pryor an, und er klang in der Tat alles andere als erfreut, von mir zu hören.
»Keine Angst«, sagte ich. »Ich habe bloß eine ganz einfache Frage. Sie sind doch inzwischen mit Brendan befreundet. Ich muss mich mit ihm in Verbindung setzen. Können Sie mir sagen, wo er sich im Moment aufhält?«
»Warum?«
»Was meinen Sie mit ›warum‹? Ist das wichtig?«
»Immerhin haben Sie mich mal aufgefordert, gegen ihn zu ermitteln, und zwar wegen – was war es noch mal? – Mord?
Warum wollen Sie ihn sprechen?«
»Was sind Sie? Seine Empfangsdame? Ich brauche lediglich seine Adresse.« Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. »Na schön«, fügte ich hinzu. »Ich habe ein paar Sachen für ihn. Er hat sie in einer Wohnung zurückgelassen, in der er mal kurz gelebt hat.«
»In Ihrer Wohnung?«
»Nein, in einer anderen.«
»Wie sind Sie dann an die Sachen gekommen?«
»Warum interessiert Sie das?«, fragte ich. »Was geht Sie, das überhaupt an?«
»Ich weiß nicht, was mit Ihnen los ist, Miranda, aber ich finde, Sie sollten endlich mit diesem Unsinn aufhören.«
»Ich möchte bloß seine Adresse.«
»Tja, von mir bekommen Sie sie jedenfalls nicht.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Ich werde ihm sagen, dass Sie angerufen
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