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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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sind Kerry und Brendan so lange geblieben … Es ist alles recht gut gelaufen, nicht wahr?«
    »Ja, es war sehr nett.«
    »Findest du nicht auch, dass Kerry sehr glücklich wirkt?«
    »Doch, ja.«
    »Weißt du, was? Mir kommt es vor wie ein Wunder.«
    »Mum …«
    »Ein Wunder«, wiederholte sie. »Wenn ich daran denke, wie
    …« Die Worte verschwammen, und ich schloss ergeben die Augen. Ich wollte eine gute Tochter sein.

    »Hallo, Miranda. Ich bin’s, Kerry. Miranda? Bist du da?«
    Nach einer kurzen Pause war im Hintergrund eine Männer-stimme zu hören, auch wenn ich nicht verstehen konnte, was sie sagte. Kerry kicherte, dann fuhr sie fort: »Wir wollten bloß hören, wie es dir geht. Es wäre nett, wenn wir uns bald mal wieder sehen würden. Was? … Oh, Brendan lässt dich auch schön grüßen …«
    Ich drückte auf den Knopf, um die Nachricht zu löschen.

    In der Woche ging ich dreimal zum Laufen, konnte aber noch keine erkennbaren Fortschritte verzeichnen. Meine Lunge begann jedes Mal zu schmerzen, wenn ich eine kurze Strecke gelaufen war, meine Beine fühlten sich immer noch an wie Blei und mein Herz wie ein Stein, der in meinem Brustkasten umherpolterte. Wenn ich auf einen Hügel hinauflief, wurde ich meist von flott marschierenden Fußgängern überholt. Immerhin gab ich nicht auf, das allein war schon ein gutes Gefühl.
    Am Freitag war ich zu einer Party eingeladen, die meine Freunde Jay und Pattie veranstalteten. Ich tanzte, trank erst Bier, dann Wein und anschließend einen seltsamen Schnaps aus Island, den Pattie ganz hinten in ihrem Schrank fand, nachdem die meisten ihrer Gäste gegangen und wir in jene wundervolle Phase der Nacht eingetreten waren, in der man keinerlei Anstrengungen mehr zu unternehmen braucht. Etwa ein Dutzend von uns saßen noch in ihrem schummrig beleuchteten Wohnzimmer herum, das mit leeren Bierdosen, Kippen und nicht zusammenpassenden Schuhen übersät war, und nippten vorsichtig an dem Schnaps, der meine Augen tränen ließ. Ich hatte im Lauf des Abends einen Mann namens Nick kennen gelernt. Er saß im Schneidersitz vor mir auf dem Boden, bis er sich nach einer Weile an meine Knie lehnte. Ich spürte die Wärme seines verschwitzten Rückens. Nach ein paar Minuten fuhr ich mit der Hand durch sein kurzes braunes Haar. Es fühlte sich weich und flauschig an, wie das Fell eines Tiers. Er legte mit einem leisen Seufzer den Kopf zurück, sodass ich sein Gesicht sehen konnte. Er lächelte. Ich beugte mich vor und küsste ihn rasch auf sein Lächeln.
    Als ich ging, fragte er mich, ob ich Lust hätte, ihn wiederzusehen.
    »Ja«, antwortete ich. »Gern.«
    »Ich rufe dich an.«
    »Tu das.«
    Wir sahen uns an. Anfänge sind etwas so Wundervolles, genau wie jenes erste winzige Loch in der Wand, durch das man die Welt auf der anderen Seite erahnen kann.

    7. KAPITEL
    Zwei Tage später rief Nick an. Es scheint ganz strenge Regeln zu geben, wann man jemanden anrufen darf, genau wie es früher bestimmte Regeln gab, die einem sagten, beim wievielten Rendezvous man sich das erste Mal küssen durfte. Wenn man noch am selben Tag anruft, grenzt das fast schon an Belästigung. Ruft man am nächsten Tag an, wirkt man unter Umständen ein bisschen verzweifelt, denn da der erste Tag absolut tabu ist, ist der zweite Tag im Grunde die erste Möglichkeit. Wenn jemand überhaupt anruft, dann spätestens am dritten Tag. Wartet man länger als bis zum dritten Tag, kann man es genauso gut ganz bleiben lassen, denn dann ist die betreffende Person entweder schon verheiratet oder ausgewandert. Ich persönlich habe nie auf diesen Kodex geachtet. Für solchen Unsinn ist das Leben viel zu kurz. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich angerufen, sobald ich von der Party nach Hause gekommen wäre.
    Jedenfalls rief Nick an, und von da an war alles ganz einfach.
    Wir verabredeten uns für den nächsten Abend in einer Bar in Camden Town. Ich kam fünf Minuten zu früh, er fünf Minuten zu spät. Er trug eine ausgewaschene Jeans und ein lässiges Karohemd, darüber eine Lederjacke. Er war unrasiert, und seine Augen waren so dunkelbraun, dass sie fast schwarz wirkten.
    »Du arbeitest für eine Maler- und Tapezierfirma«, begann er.
    »Das hat mir Pattie erzählt. Außerdem hast du Farbe im Haar.«
    Ich zupfte verlegen in meinem Haar herum.
    »Ich kann nichts dagegen machen«, erklärte ich. »Immer ist irgendwo hinten am Kopf ein Fleck, den ich übersehe.
    Irgendwann geht die Farbe dann von selbst ab.«
    Wenn ich

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