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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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bereite ich mir mehrere Abende hintereinander das Gleiche zu. Eine Weile war es Rührei auf gebuttertem Roggentoast. Dann kam die Phase des griechischen Salats, den ich mittlerweile zur Perfektion gebracht habe: Ich mache ihn nicht nur mit Tomaten, Gurke und Feta-Käse, sondern zusätzlich mit Avocado, Fenchel und sonnengetrockneten Tomaten. Ein paar Wochen lang kombinierte ich eine Dose Tintenfischstücke mit einer Dose Kichererbsen, wovon ich inzwischen aber wieder Abstand genommen habe. Wenn Freunde zu Besuch kommen, gibt es entweder Hühnchenbrust mit Knoblauch, Rosmarin und Olivenöl – man braucht das Ganze bloß in den Herd zu schieben und eine halbe Stunde zu warten –, oder wir lassen uns was kommen. Meistens Letzteres.
    Vielleicht war mir Brendan nicht zuletzt deswegen so schnell auf die Nerven gegangen, weil er es sich in meiner Wohnung gleich so gemütlich gemacht hatte. Als wäre es auch sein Zuhause. Aber ich wollte nicht mehr an Brendan denken. In meinem Leben würde ab jetzt wieder ein anderer Wind wehen.

    In einem Laden in der Camden High Street, der Run Run Run hieß, erstand ich ein hübsches blaues Trikot, weiße Shorts, schwarze Wildlederlaufschuhe und ein Buch mit dem Titel Lauf um dein Leben, verfasst von einem Mann namens Jan, der auf der Rückseite abgebildet war und mit seinem Stirnband aussah wie ein Mitglied von Duran Duran. Anschließend besorgte ich mir im Spirituosenladen eine Flasche gekühlten Weißwein. Eine derart transparente Flüssigkeit konnte unmöglich eine größere Menge Kalorien enthalten. Dazu kaufte ich mir eine teure Packung Chips, die der Aufschrift zufolge mit einer besonders gesunden Sorte Sonnenblumenöl zubereitet worden waren. Zu Hause angekommen, sicherte ich die Tür mit der Kette und legte mich mit einer Schüssel Chips, einem Glas Weißwein und meinem Laufbuch in die Badewanne. Eine höchst wohltuende Kombination. Das erste Kapitel schien für Leute gedacht, die noch weniger fit waren als ich. Demnach sollte man das Lauftraining mit einem flotten zehnminütigen Marsch beginnen, dann etwa hundert Meter laufen, anschließend weitere zehn Minuten marschieren. Der mit dem Training beginnende Läufer sollte niemals ernstlich außer Atem kommen und schon beim leisesten Anzeichen von Unbehagen aufhören. Völlig verkehrt sei es, ohne jede Vorbereitung loszulaufen.

    »Es ist besser, langsam anzufangen und aufzubauen«, hieß es an einer Stelle in Kursivschrift, »als schnell anzufangen und schnell wieder aufzugeben.« Das klang für mich recht einleuchtend. Ich überblätterte einige Seiten. Wie es aussah, konnte ich ruhig ein paar Phasen überspringen und würde immer noch nicht Gefahr laufen, ins Schwitzen zu geraten.
    Der Verfasser empfahl allen aufstrebenden Läufern und Läuferinnen, an das sportliche Training zu denken, das sie im Rahmen ihres ganz normalen Arbeitstages absolvierten.
    Demzufolge tat man sogar schon etwas für seinen Körper, wenn man einfach nur von seinem Schreibtisch aufstand und die paar Schritte zum Wasserspender ging. Ich machte viel mehr als das: Ich trug Leitern und Dielen durch die Gegend, strich in verrenkter Körperhaltung eine Zimmerdecke nach der anderen und hielt schwere Farbdosen minutenlang mit nur einer Hand. Die Lauferei würde das reinste Kinderspiel für mich werden. Ich stellte meinen Wecker eine halbe Stunde früher als sonst. Am nächsten Morgen wagte ich mich in meinem neuen Sportoutfit auf die Straße. Ich wünschte, ich hätte mir auch gleich noch eine Maske besorgt.
    Zum Aufwärmen marschierte ich erst mal fünf Minuten. Kein Problem. Dann rannte ich ungefähr hundert Meter in flottem Tempo. Ich befolgte Jans Rat und hörte sofort auf, als ich das erste Anzeichen von Schmerz verspürte. Nachdem ich wieder ein paar Minuten gegangen war, versuchte ich es noch mal mit Laufen. Diesmal kam der Schmerz schneller. Mein Körper realisierte langsam, was mit ihm geschah. Erneut drosselte ich mein Tempo und machte mich auf den Heimweg. Laut Jan war es am Anfang besonders wichtig, Verstauchungen oder Zerrungen infolge eines übertrieben ehrgeizigen Trainings zu vermeiden. Es gelang mir ohne größere Schwierigkeiten, diesen Ratschlag zu beherzigen.

    »Hallo? Miranda? Ich wollte bloß …«
    Ich griff nach dem Hörer.
    »Hallo, Mum.«
    »Ich habe dich doch nicht aufgeweckt, oder?«
    »Nein, ich war schon auf dem Sprung.«
    »Ich möchte dir nur für gestern danken. Eigentlich wollte ich dich gestern Abend noch anrufen, aber dann

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