Der falsche Freund
mit einem mitleidigen Lächeln zu, wie ich vorsichtig die bröselnden Reste des Korkens aus der Flasche pulte und drei Gläser füllte. Er hielt das seine ans Licht und fischte behutsam ein paar kleine Korkstückchen heraus, bevor er den ersten Schluck nahm.
»Wir hätten selbst eine Flasche mitbringen sollen«, meinte Kerry.
»Weil wir dich nämlich um einen Gefallen bitten möchten.«
»Ja?«, fragte ich argwöhnisch.
»Nun ja, etwas Erstaunliches ist passiert. Du weißt doch, dass am Sonntag ein Mann kommen wollte, um sich meine Wohnung ein zweites Mal anzusehen?«
»Ja?«
»Er hat uns ein Angebot gemacht. Es liegt nur knapp unter dem, was wir uns vorgestellt haben.«
»Das ist ja großartig.«
»Er scheint die Wohnung unbedingt zu wollen.«
»Aber nur, wenn er sofort einziehen kann. Spätestens in zwei Wochen«, warf Brendan ein.
»Aha.« Mir schwante Schreckliches.
»Das Problem ist, dass Bren seine Wohnung bereits gekündigt hat und wir nicht so schnell in unser neues Zuhause können«, erklärte Kerry. »Auch wenn der Besitzer bereits im Altersheim ist und die Maklerin uns versprochen hat, alles so schnell wie möglich abzuwickeln.«
»Tja«, sagte Brendan und lächelte mich an. Er schenkte sich ein zweites Glas Wein ein und nahm gleich einen großen Schluck.
»Deswegen stecken wir jetzt ein wenig in der Klemme«, fuhr Kerry fort. »Wir haben uns gefragt, ob wir vielleicht bei dir wohnen könnten. Nur für ein paar Tage oder eine Woche, allerhöchstens zwei.«
»Was ist mit …?«
»Natürlich würden Derek und Marcia uns sofort aufnehmen«, antwortete Brendan. »Bloß dass deren Haus in den nächsten Monaten aussehen wird, als hätte dort eine Bombe eingeschlagen. Du weißt wahrscheinlich besser als wir, was für ein Albtraum es ist, auf einer Baustelle zu leben. Womöglich müssen sie sogar selbst für eine Weile ausziehen.«
»Wäre das möglich, Miranda?«, fragte Kerry.
Es wunderte mich, dass Kerry diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zog. Wäre es andersherum gewesen, hätte ich versucht, für einen großen Sicherheitsabstand zwischen Brendan und seiner Ex zu sorgen, und sie ganz bestimmt nicht in einer kleinen Wohnung zusammengebracht, selbst wenn – oder gerade wenn – es sich bei dieser Ex um meine Schwester handelte. Vielleicht war ich bloß misstrauischer als sie. Oder vielleicht musste sie sich selbst, mir und Brendan beweisen, dass sie nichts zu befürchten hatte. Ich sah sie an, konnte ihren Gesichtsausdruck aber nicht deuten.
»Meine Wohnung ist so klein«, sagte ich lahm. »Ich habe nicht mal ein Gästezimmer.«
»Du hast deine Ausziehcouch«, meinte Brendan.
»Vielleicht können wir ja doch eher in das neue Haus, sodass wir deine Gastfreundschaft gar nicht in Anspruch nehmen müssen«, meinte Kerry. »Und falls es sich tatsächlich nicht vermeiden lassen sollte, werden wir dir ganz bestimmt nicht im Weg sein und dafür sorgen, dass alles ordentlich bleibt, und für dich kochen. Und ehe du dich versiehst, sind wir wieder weg.
Eine Woche.«
»Habt ihr denn keine Freunde mit einer größeren Wohnung?
Wo ihr euch wohler fühlen würdet?«
»Miranda, du bist meine Schwester!« Kerry hatte Tränen in den Augen. Sie warf Brendan einen Hilfe suchenden Blick zu, woraufhin er ihre Hand nahm und sie streichelte.
»Du bist Familie. Worum wir dich bitten, ist doch keine so große Sache. Mum und Dad waren sicher, dass es dir nichts ausmachen würde. Ich war auch dieser Meinung. Ich habe mir sogar eingebildet, du würdest dich vielleicht freuen, uns für ein paar Tage bei dir zu haben. Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass …«
»Vielleicht empfindet Mirrie es immer noch als schmerzlich«, bemerkte Brendan in sanftem Ton.
»Was?!«
»Wir hätten dich nicht fragen sollen«, fuhr Brendan fort.
»Das war nicht fair. Vielleicht bist du dafür einfach noch nicht bereit.«
Ich umklammerte mein Weinglas so fest, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn es zerbrochen wäre.
»Aber irgendwie schuldest du es Kerry, meinst du nicht?«
Seine Stimme klang immer noch sanft, hatte jetzt aber einen viel sagenden Unterton. »Nach allem, was passiert ist. Hmm? Hmm?«
»Wie meinst du das?«, fragte Kerry.
Ich starrte Brendan an. Am liebsten hätte ich ihm den Wein ins Gesicht gekippt und das Glas gleich hinterhergeworfen.
»Miranda?«, versuchte meine Schwester es noch einmal.
»Nur für ein paar Tage?«
Ich wandte mich ihr zu, versuchte mich auf ihren vorwurfsvollen
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