Der falsche Freund
»Das ist hier ein besonderes Angebot. Man bestellt zwei Gläser Wein, und sie geben einem die ganze Flasche. Du weißt, dass ich bei Schnäppchen nie widerstehen kann.«
Nachdem ich ihr Glas voll geschenkt hatte, stießen wir miteinander an, natürlich mal wieder auf Kerry und Brendan.
Ich versuchte meinen Groll zu unterdrücken und nicht auf die fünfjährige Miranda in mir zu hören, die ihrerseits im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen wollte.
»Kerry hat mir erzählt, wie sehr du ihr bei der Wohnungssuche geholfen hast und dass du sie bei dir wohnen lässt und all das«, sagte Mum. »Ich weiß, dass sie ihre Dankbarkeit manchmal nicht so zeigen kann. Wahrscheinlich aus Verlegenheit. Aber es bedeutet ihr sehr viel. Und mir auch.«
»Das mit der Wohnungssuche war wirklich nicht der Rede wert«, entgegnete ich.
»Ich bin wegen Kerry so glücklich, dass ich es kaum ertragen kann. Ich halte die ganze Zeit die Finger überkreuzt, und nachts liege ich oft wach und bete stundenlang, dass alles gut geht.«
»Warum sollte es nicht?«
»Es ist fast zu schön, um wahr zu sein«, antwortete meine Mutter. »Als würde zurzeit eine gute Fee die Hand über sie halten.«
»Es ist kein Märchen, Mum. Und Brendan kein Märchenprinz.«
»Ich weiß, ich weiß. Aber ich hatte bei Kerry schon immer das Gefühl, dass ihr alle Möglichkeiten offen stehen würden, wenn sie nur ein wenig mehr Selbstvertrauen hätte. Das hat Brendan ihr gegeben.«
»Irgendwie ist das beängstigend«, bemerkte ich, während ich den bernsteinfarbenen Wein in meinem Glas schwenkte.
»Von welch verschiedenen Dingen Glück abhängen kann. Das macht es so zerbrechlich.«
»Dich habe ich in dieser Hinsicht immer ganz anders eingeschätzt«, erklärte meine Mutter. »Auch wenn es noch so sehr auf und ab ging, bei dir war ich immer sicher, dass du deinen Weg machen würdest.«
»Oh«, sagte ich lahm. Aus irgendeinem Grund stimmten mich ihre Worte nicht besonders fröhlich.
»Jetzt ist Troy unser letztes Sorgenkind«, fuhr meine Mutter fort. »Aber komischerweise habe ich, was ihn betrifft, neuerdings auch ein besseres Gefühl. Als würde gerade eine Glückssträhne beginnen.« Ich schenkte ihr Wein nach. Sie wartete, bis ich fertig war, dann holte sie tief Luft und sagte:
»Da wir gerade von Kerry und Troy sprechen, scheint es mir ein guter Zeitpunkt zu sein, über ein paar Dinge zu reden, die dein Vater und ich noch nie so richtig mit dir diskutiert haben.«
»Was für Dinge?« Ich hatte plötzlich ein ungutes Gefühl.
Sie griff nach einer der kleinen Papierservietten, die man zum Wein bekam, und begann sie zu drehen und zu falten, als wollte sie ein Papierflugzeug bauen.
»Natürlich wissen wir alle, was für ein wundervoller Junge unser Troy ist. Trotzdem wird er immer finanzielle Unterstützung brauchen. Du weißt, dass wir schon seit Jahren in einen Treuhandfonds für ihn einzahlen.«
»Vielleicht bekommt er ja doch einen Job«, sagte ich zögernd.
»Man muss nur den richtigen Bereich für ihn finden.«
»Ich hoffe, du hast Recht, Miranda. Ich hoffe es sehr. Aber das ist im Moment nicht unser dringendstes Problem. In zwei Monaten werden Kerry und Brendan heiraten. In einem ganz bescheidenen Rahmen. Die beiden werden eine Weile arm wie Kirchenmäuse sein. Derek hat mit Brendan gesprochen und war sehr beeindruckt. Brendan hat eine ganze Reihe von Ideen. Die verschiedensten Pläne. Vorerst aber werden Kerry und er Unterstützung brauchen, beispielsweise, was den Kauf der Wohnung betrifft. Wie du weißt, haben wir im Moment Schwierigkeiten mit unserem eigenen Haus, aber wir werden ihnen trotzdem unter die Arme greifen, so gut wir können, und einen kleinen Teil der Kosten für die Wohnung übernehmen.«
»Das freut mich«, sagte ich. »Aber warum erzählst du mir das?«
»Du kommst so gut zurecht«, antwortete meine Mutter und drückte meine Hand. »Das war bei dir immer schon so.
Manchmal denke ich, dass du dir gar nicht vorstellen kannst, wie schwer Troy und Kerry es im Vergleich zu dir hatten.«
»Ich arbeite in einem Maler- und Tapezierbetrieb. Ich bin keine Börsenmaklerin.«
Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Du bist in deinem Beruf sehr gut. Ich habe mit Bill gesprochen. Er hält große Stücke auf dich.«
»Dann wünschte ich, er würde mir mehr bezahlen.«
»Das kommt schon noch, Miranda. Dir sind keine Grenzen gesetzt.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Du bist so großzügig, Miranda, und ich weiß, du wirst in dieser
Weitere Kostenlose Bücher