Der falsche Freund
die letzte Form an ihren Platz – tatsächlich, das Ganze ergab einen Würfel – und lächelte zufrieden, bevor er anfing, die Teile wieder auseinander zu nehmen. Ich spürte, wie ein Gefühl von Zärtlichkeit in mir aufstieg, und wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen.
»Hallo, ihr alle!« Ich küsste meine Eltern auf die Wange und zerzauste Troy das Haar.
»Der Kaffee ist fertig«, verkündete Brendan fröhlich.
»Wahrscheinlich habe ich sämtliche Kaffeebohnen aufgebraucht.«
»Wo willst du das alles bloß unterbringen?«, fragte ich Kerry.
»Ich weiß wirklich nicht, wo wir eure Klamotten aufhängen sollen.«
»Wir haben von Dad einen Kleiderständer bekommen«, antwortete sie. »Für die schöneren Sachen und meine Arbeitsklamotten. Wir können ihn hinter das Sofa stellen. Den Rest lassen wir einfach in den Taschen.«
Ich brachte nur ein schwaches, zustimmendes Achselzucken zustande. Während ich Mum dabei zusah, wie sie die Dahlien in ein Glas stellte, versuchte ich einen Anfall von Selbstmitleid zu unterdrücken. Mir hatte sie keine Blumen mitgebracht, als sie das letzte Mal hier war.
»Bitte schön«, sagte Brendan. »Mit Milch, aber ohne Zucker, richtig?« Dabei zwinkerte er zufrieden, als hätte er gerade eine Quizfrage korrekt beantwortet.
Ich ließ mich neben Troy nieder und sah zu, wie Kerry eine Schachtel Müsli nach der anderen in meine Küchenschränke räumte. Brendan nahm einen Stapel Bücher aus einem großen Regalfach und stellte stattdessen den kleinen Fernseher hinein.
»So können wir im Bett fernsehen«, sagte er. »Ist deine Ausziehcouch bequem, Mirrie? Ich habe noch nie darauf geschlafen.«
»Wie geht es dir?«, wandte ich mich an Troy, obwohl ich an seinem kalkweißen Gesicht und seiner gebeugten Haltung sehen konnte, wie er sich fühlte: bedrückt und kraftlos.
Plötzlich war der Raum von lauter Musik erfüllt.
»Mozart«, verkündete Brendan. »Wir lieben Mozart, stimmt’s, Kerry?«
»Geht schon«, antwortete Troy. »Gut.« Er griff wieder nach den Styroporteilen und begann von neuem.
»Hier, Kumpel.« Brendan ging neben ihm in die Knie und reichte ihm eine Scheibe Toast. »Du brauchst Blutzucker.« Er legte die Hand unter Troys Kinn und hob es an. »Du siehst müde aus. Hast du letzte Nacht nicht gut geschlafen?«
»Nicht besonders.«
»Das ist schlecht. Aber jetzt iss erst mal deinen Toast. Später machen wir dann einen strammen Spaziergang. Das hilft gegen Schlaflosigkeit. Hmm?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Troy. Er wandte den Blick ab und biss in seinen Toast. »Ich weiß nicht, ob mir nach Spazierengehen zumute ist.«
»Ich sollte euch vielleicht vorwarnen, dass ich demnächst weg muss«, wechselte ich das Thema. »Tut mir Leid. Ich habe das schon vereinbart, bevor ich wusste, wann ihr kommt.«
»Wie schade«, sagte meine Mutter. »Kannst du es nicht absagen?«
»Wen triffst du denn?«, fragte Brendan.
»Niemanden, den du kennst.«
»Miranda!«, rügte mich meine Mutter. »Ich weiß, du meinst es nicht so, aber das hat eben ein bisschen unhöflich geklungen.«
Ich musste mich zusammenreißen, meiner Mutter darauf keine wirklich unhöfliche Antwort zu geben.
»Er heißt Nick«, sagte ich.
»Nick?« Brendan hob die Augenbrauen.
»Ja.«
»Wie seltsam. Ich habe gerade mit ihm telefoniert. Als du dich angezogen hast. Tut mir Leid, ich hätte es dir gleich sagen sollen. Ich habe gesagt, du würdest ihn zurückrufen – aber er schien nichts von eurer Verabredung zu wissen. Hmm? Ich habe ihn ganz spontan eingeladen herüberzukommen und mit uns zu essen. Ich wusste, dass du nichts dagegen haben würdest. Wir haben uns gedacht, wir könnten so etwas wie eine Einstandsparty feiern. Die Küche von Derek und Marcia hat ja im Moment nur drei Wände und ist nicht zu benutzen.«
Ich schloss für einen Augenblick die Augen. Als ich sie wieder aufschlug, stand er immer noch lächelnd vor mir.
»Ich kann nicht …« Ich wusste nicht, wie ich den Satz zu Ende führen sollte. Ich ballte die Fäuste, bis sich meine Nägel tief in die Handflächen gruben.
»Er hat sich über die Einladung gefreut.«
»Wir müssen ihn ja sowieso irgendwann kennen lernen«, mischte sich Mum ein. Sie war gerade damit beschäftigt, Kerrys und Brendans Schuhe zu Paaren zu ordnen und an der Wand entlang aufzureihen.
»Troy kann uns was Feines kochen«, schlug Brendan vor.
»Ich weiß nicht, ob mir heute nach Kochen zumute ist«, entgegnete Troy.
»Ihr scheint das alles ja schon
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