Der falsche Freund
zurück in die Gefriertruhe. »Dann entscheide du.«
Er sah sich um, ließ den Blick über all die Regale schweifen, die voll gepackten Einkaufswagen der anderen Kunden. »Mir ist eigentlich gar nicht nach Kochen zumute. Ich bin nicht in der Stimmung.«
»Wir hängen hier nun schon eine halbe Stunde herum«, sagte ich und versetzte unserem Einkaufswagen einen entnervten Stoß. »Und das Einzige, was wir bisher haben, sind Kaffeebohnen und ein paar Bananen. Ich nehme jetzt einfach irgendwas, okay?«
»Okay.« Er starrte mich so hilflos an, dass meine ganze Wut sofort verpuffte.
Ich legte einen Arm um seine schmalen Schultern und drückte ihn an mich. »Ist schon gut, Troy. Das ist überhaupt kein Problem. Überlass es einfach mir.«
Kerry und Brendan waren in der Wohnung geblieben, um aufzuräumen, aber als Troy und ich am Spätnachmittag zurückkehrten – draußen begann es langsam zu dämmern, und am Horizont hing bereits eine schmale Mondsichel –, hatte sich an dem Chaos kaum etwas geändert. Einen hoffnungsvollen Moment lang dachte ich, sie wären nicht da, aber dann hörte ich hinter der geschlossenen Badtür Stimmen und Wasserrauschen.
Die beiden nahmen ein gemeinsames Bad. Troy und ich begannen mit den Vorbereitungen für das Essen. Ich half ihm, den Knoblauch zu zerkleinern und das Gemüse aufzuschneiden.
Während wir in einvernehmlichem Schweigen arbeiteten, hörten wir die beiden hin und wieder Wasser einlassen oder wohlige Laute ausstoßen. Ich warf einen Blick zu Troy. Dem gelegentlichen Geplantsche nach zu urteilen, war dort drinnen Sex im Gang. Ich legte eine CD ein und drehte die Anlage ziemlich laut. Als ich zum Spülbecken zurückkehrte, wurde mir bewusst, wie sehr meine Schultern schmerzten und dass ich mich insgesamt ziemlich verschwitzt und verspannt fühlte. Ich würde auch noch rasch baden und mir die Haare waschen.
Vielleicht schaffte ich es sogar, ein wenig Make-up aufzulegen, ehe Nick kam. Nach einem Blick auf die Uhr überlegte ich einen Moment, ob ich an die Tür klopfen sollte, ließ es dann aber sein.
Als sie schließlich in Handtücher gehüllt herauskamen und dabei eine duftende Dampfwolke in die Wohnung entließen, wirkten sie beide rosig und erhitzt.
»Ich nehme auch noch schnell ein Bad«, erklärte ich und legte das scharfe Messer beiseite. Sie fingen gerade an, in ihren Taschen nach Klamotten zu wühlen.
Das heiße Wasser war aus. Eine unbändige Wut stieg in mir auf. Ich wusch mir am Waschbecken das Gesicht und putzte mir die Zähne, aber als ich in mein Schlafzimmer gehen wollte, um mich wenigstens noch umzuziehen, klingelte es. Mist. Brendan riss die Tür auf. Draußen lächelten sich Nick und meine Eltern gerade verlegen an.
»Nick.« Brendan streckte ihm die Hand entgegen. »Kommen Sie herein. Wir warten schon alle darauf, Sie kennen zu lernen.«
»Hallo«, begrüßte ich ihn. Ich überlegte einen Moment, ob ich auf ihn zugehen und ihn küssen sollte, blieb dann aber neben dem Herd stehen. »Du hast es dir wahrscheinlich schon gedacht, aber der Chefkoch hier ist mein Bruder, Troy.« Troy drehte sich um und schwenkte einen Holzlöffel.
»Meine Eltern, Marcia und Derek. Meine Schwester Kerry.«
Die, wie ich gerade feststellte, phantastisch aussah. Sie trug ein rotes Samtkleid und eine eng anliegende Kette, die ihren Hals sehr lang und schlank wirken ließ. »Und Brendan.«
Während sich alle per Handschlag begrüßten, zog ich die Steppdecke und die Mäntel vom Sofa, aber niemand setzte sich.
Ich räusperte mich.
»Wie war dein Tag?«, fragte ich Nick quer durch den Raum.
Ich bemühte mich um einen munteren Ton.
»Ganz in Ordnung.«
»Wundervolles Wetter, nicht?«
Wir starrten uns verlegen an.
»Drinks!«, rief Brendan. Er holte die zwei Flaschen Wein, die ich gekauft hatte, aus dem Kühlschrank und öffnete sie gleich beide. »Kümmerst du dich um die Chips, Kerry? Es ist immer eine nervenaufreibende Sache, die Eltern kennen zu lernen, stimmt’s? Als ich Marcia und Derek zum ersten Mal gegenüberstand, war ich wie gelähmt vor Angst.« Er stieß ein fröhliches Lachen aus.
»Wirklich?«, fragte mein Vater. »Davon haben wir aber nichts bemerkt.« Er wandte sich an Nick. »Miranda hat mir erzählt, Sie arbeiten im Bereich Werbung.«
»Ja«, bestätigte Nick. »Und Sie in der Verpackungsbranche.«
»Ja.«
»Ich habe mir auch mal überlegt, in die Werbung zu gehen«, füllte Brendan die Pause. »Aber dann kamen mir Bedenken. Ich wollte nicht für
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