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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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funktionierende Autoheizung nicht mehr ausreichte, um mich aufzuwärmen. Kurz vor Lauras Wohnung hielt ich an einem Laden an und besorgte Milch, Kakaopulver und Kekse. Als ich die Wohnungstür aufsperrte, hörte ich, dass im Bad gerade jemand Wasser einließ, also beschränkte ich mich darauf, mir eine große Tasse heiße Schokolade zu machen und mich damit auf der Couch niederzulassen. Ich zog die Beine unter den Körper und trank die Schokolade ganz langsam, in kleinen Schlucken, um möglichst lange etwas davon zu haben.

    19. KAPITEL
    Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und rief in meiner Wohnung an. Brendan ging ran. Mir rutschte das Herz in die Hose, und am liebsten hätte ich sofort wieder aufgelegt, aber Brendan hätte bestimmt herausgefunden, dass ich es gewesen war, und hätte zurückgerufen oder sich sonst was ausgedacht, und alles wäre wieder irgendwie übel ausgegangen. Zumindest für mich. Deswegen sagte ich hallo.
    »Geht es dir gut, Miranda?«, fragte er.
    »Wie meinst du das?«
    »Das Ganze muss sehr schmerzhaft für dich gewesen sein.«
    »Und wessen Schuld ist das?«, gab ich zurück und verfluchte mich sofort dafür. Nun war ich in derselben Situation wie ein Boxer, der gerade freiwillig seine Deckung aufgegeben hatte.
    Der Schlag ins Gesicht blieb nicht aus.
    »Miranda, Miranda, Miranda«, sagte er in schrecklich besänftigendem Ton. »Nicht ich habe Kerry hintergangen, sondern du.«
    »Trotzdem hast du gelogen«, erwiderte ich. »Du weißt von der Geschichte, weil du in meinem Tagebuch herumgeschnüffelt hast, aber den anderen gegenüber hast du behauptet, ich hätte es dir erzählt.«
    »Spielt es wirklich eine Rolle, wie ich davon erfahren habe?
    Vielleicht ist es besser so, Miranda. Geheimnisse sind schlecht für eine Familie. Es kann etwas Reinigendes und Befreiendes haben, wenn sie ans Tageslicht kommen.«
    Einen Moment lang fragte ich mich, ob ich im Begriff war, wahnsinnig zu werden. Nicht nur das, was Brendan sagte, verursachte mir einen Brechreiz, nein, ich hatte sogar am Telefon das Gefühl, allein schon von seiner Stimme körperlich verseucht zu werden, als würde sie wie ein kleines schleimiges Lebewesen in mein Ohr hineinkriechen.
    »Ich wollte bloß sagen, dass ich morgen kurz vorbeikomme, um ein paar von meinen Sachen abzuholen.« Nach einer kurzen Pause fügte ich hinzu: »Wenn das für euch in Ordnung ist.«
    »Weißt du schon, wann?«
    Am liebsten hätte ich geantwortet, was denn das für eine Rolle spiele, verkniff es mir aber. Ich wollte mich nicht schon wieder in irgendeine Art von Streit hineinziehen lassen und am Ende als die Dumme dastehen.
    »Wenn ich von der Arbeit zurückkomme.«
    »Wann wird das ungefähr sein?«
    »Schätzungsweise so gegen halb sieben«, antwortete ich.
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Wir sind immer gern vorbereitet, wenn du kommst, Miranda.
    Damit wir dich gebührend empfangen können.«
    »Ist Kerry da?«
    »Nein.«
    »Könntest du ihr ausrichten, dass sie mich doch bitte anrufen soll?«
    »Natürlich«, antwortete er in liebenswürdigem Ton.
    Nachdem ich mit einer ziemlich heftigen Bewegung den Hörer aufgeknallt hatte, sah ich Laura schuldbewusst an. Ihr Telefon zu demolieren war keine besonders gute Art, mich in ihrem Haushalt nützlich zu machen. Sie musterte mich besorgt. Schon wieder erwies sie sich als gute Freundin.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    »Glaub mir, du willst es nicht wissen«, antwortete ich.
    »Es ist ein ziemlich beschissenes Gefühl, wenn man einen Termin vereinbaren muss, um seine eigene Wohnung betreten zu dürfen. Tut mir Leid. Erst sage ich, du willst es nicht wissen, und dann erzähle ich es dir doch.« Lächelnd nahm sie mich in den Arm. »Es wird jetzt wirklich Zeit, dass du mit Tony ein paar Kinder in die Welt setzt«, fügte ich hinzu.
    »Das ist dir doch hoffentlich klar, oder?«
    »Wieso denn das?«
    »Weil ich mindestens acht Jahre babysitten muss, um wieder gutzumachen, was du alles für mich getan hast.«
    Sie lachte.
    »Ich werde darauf zurückkommen«, meinte sie. »Aber Tony gegenüber solltest du das besser nicht erwähnen. Jedes Mal, wenn von Kindern die Rede ist, fällt ihm die Kinnlade herunter.«
    Laura und Tony machten sich gerade zum Ausgehen fertig. Sie hatten sich offenbar gestritten, denn Laura war ihm gegenüber sehr kühl und kurz angebunden, und Tony schmollte. Ich würde einen einsamen Sonntagabend in ihrer Wohnung verbringen und mich in meinem Selbstmitleid suhlen. Ich hatte alles schon genau

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