Der falsche Freund
geplant. Erst mal würde ich mir ein paar Gläser Wein genehmigen. Als Abendessen würde es ein Schinken-Avocado-Sandwich mit viel Mayonnaise geben, die Zutaten hatte ich schon vorher besorgt. Dazu noch mehr Wein. Dann würde ich mir ein Bad gönnen und hinterher sturzbetrunken ins Bett fallen.
Zwischendrin standen ein paar Schluchz- und Heuleinlagen auf dem Programm. Wann sie im Einzelnen stattfinden sollten, hatte ich noch nicht entschieden.
Ich muss ausgesehen haben wie ein Kind auf einem Poster, denn plötzlich hörte ich hinter mir leises Gemurmel, dann flüsterte Laura etwas, das ich nicht verstehen konnte, und Tony fragte mich, ob ich nicht mitkommen wolle.
»Was? Ich?«, fragte ich verlegen. Mir war klar, dass ich ihnen Leid tat, und kam mir richtig erbärmlich vor. »Nein, nein. Ich mache mir lieber einen gemütlichen Abend auf der Couch.«
»Nun sei nicht albern«, meinte Laura. »Wir gehen zu einer Party. Es werden jede Menge Leute da sein. Du wirst dich bestimmt amüsieren. Und uns störst du ganz bestimmt nicht.«
Letzteres war eher an Tony gerichtet als an mich. Er wandte sich von ihr ab und warf einen Blick in meine Richtung, wobei er verschwörerisch die Augenbrauen hochzog. Ich tat, als würde ich es nicht bemerken.
»Lieber nicht. Ich bin doch gar nicht eingeladen.«
»Ach was«, gab Laura zurück. »Die Gastgeberin ist eine Freundin von mir, Joanna Gergen. Kennst du sie?«
»Nein.«
»Aber sie kennt dich. Ich hab ihr schon öfter von dir erzählt.«
»Was? Dass ich verrückt bin?«
»Nein, dass du meine beste Freundin bist. Sie gibt eine Hauseinweihungsparty. Das wird bestimmt lustig.«
Sie ließen nicht locker, sodass sie es am Ende doch schafften, mich zu überreden. Ich brauchte dreißig Sekunden, um zu duschen, und weitere fünfundvierzig Sekunden, um in mein schwarzes Kleid zu schlüpfen. Dann saß ich auf dem Rücksitz ihres Wagens und versuchte unter höchst widrigen Umständen, Wimperntusche und Lippenstift aufzutragen.
Joannas Wohnung lag in einer Seitenstraße der Ladbroke Grove und musste ein Vermögen gekostet haben, mindestens …
Ich versuchte, nicht weiter über den Preis nachzudenken, ich befand mich schließlich nicht in der Arbeit. Der Abend sollte mich ja gerade von dem jämmerlichen Leben ablenken, das ich im Moment führte. Joanna, die perfekt gestyltes blondes Haar hatte und ein ausgesprochen verruchtes rotes Kleid trug, wirkte ein wenig überrascht, als sie mich wie ein lästiges Anhängsel hinter Laura und Tony stehen sah.
»Das ist Miranda«, stellte Laura mich vor.
Auf Joannas Gesicht breitete sich ein Lächeln aus.
»Dann sind Sie also die Frau, die aus ihrer eigenen Wohnung vertrieben worden ist?«, fragte sie.
Laura warf mir einen entschuldigenden Blick zu. »Ich habe Joanna erzählt, dass du meine beste Freundin bist und zurzeit mit ein paar Problemen zu kämpfen hast.«
Es spielte sowieso keine Rolle, und irgendwie brach es das Eis. Joanna geleitete mich hinein und begann mir in allen Einzelheiten zu erklären, was an dem Haus alles verändert worden war und wie lange es gedauert hatte. Offenbar wusste sie auch noch andere Dinge über mich.
Es war eine unerwartet gute Party. Zu der äußerst geräumigen Wohnung gehörte ein schöner Garten, in den man durch eine Terrassentür in der Küche gelangte. Der ganze Garten funkelte, weil überall Marmeladengläser mit Kerzen verteilt waren. Im Wohnzimmer spielte eine Live-Band Salsa, und die Badewanne war randvoll mit Eis und Bierflaschen. Abgesehen von Laura und Tony kannte ich keinen Menschen, was mir aber nichts ausmachte, ganz im Gegenteil. Eine Party mit lauter fremden Menschen zu besuchen ist, als würde man einen Abend auf einem anderen Planeten verbringen. Ich kämpfte gerade mit dem Verschluss einer Flasche, als ein Mann neben mich trat und sie mir aus der Hand nahm. Nachdem er sie mit Hilfe seines Feuerzeugs geöffnet hatte, gab er sie mir wieder zurück.
»Da, bitte«, sagte er.
»Sie sehen aus, als wären Sie jetzt mächtig stolz auf sich«, stellte ich fest.
»Ich bin Callum«, antwortete er, ohne auf meine Bemerkung einzugehen.
Ich betrachtete ihn argwöhnisch. Er war groß und hatte dunkles, krauses Haar. Außerdem trug er eins von diesen merkwürdigen, briefmarkengroßen Bärtchen unter der Unterlippe. Er ertappte mich dabei, wie ich es anstarrte.
»Sie können es gern anfassen, wenn Sie möchten«, erklärte er.
»Gibt es eine Bezeichnung dafür?«, fragte ich.
»Keine
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