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Der Falsche Krieg

Titel: Der Falsche Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Roy
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Gemeinschaft installierte afghanische Regime Hilfestellung gewährt. Im Libanon macht die schiitische Hisbollah gemeinsame
Sache mit den Christen von General Aoun, und diese Allianz bedroht die sunnitischen Muslime viel stärker als die maronitischen Christen. Das syrische Regime, die Stütze der Hisbollah, hat Muslimbrüder ermordet und ins Gefängnis geworfen. In Saudi-Arabien, dem alten Verbündeten der Vereinigten Staaten, dessen Herrscherfamilie nicht müde wird, enge Bindungen zum republikanischen Establishment zu knüpfen, gedeihen die schlimmsten antiwestlichen Formen des Islam, gleichzeitig betreibt das Land eine diskrete Annäherung an Israel im Angesicht eines neuen gemeinsamen Feindes - der potenziellen Atommacht Iran. Selbstverständlich ist dabei viel Unausgesprochenes und viel Heuchelei: An dem Tag, an dem die Vereinigten Staaten den Iran bombardieren, werden die arabischen Hauptstädte unisono protestieren, aber mehr als eine wird sich insgeheim darüber freuen.

Die drei Traumata des arabischen Mittleren Ostens
    Drei Bruchlinien, drei traumatische Ereignisse prägen die jüngste Geschichte des Mittleren Ostens, und nichts davon hat mit dem Islam an sich zu tun. Sie werfen vielmehr die Frage nach der arabischen Identität auf oder nach der Übersetzung einer arabischen Identität in politische Begriffe.
    Das erste Trauma ist das Scheitern des 1918 von den Briten propagierten Projekts, auf den Trümmern des
Osmanischen Reiches ein großes arabisches Königreich zu errichten. Das zweite Trauma besteht in der Schaffung des Staates Israels und den Niederlagen in vier Kriegen (1948, 1956, 1967, 1973), die die Nachbarn führten, um Israel zu vernichten, zu verkleinern oder sich gegen Israel zur Wehr zu setzen. Das dritte Trauma ist die in zwei Etappen vollzogene Verschiebung des Gleichgewichts zwischen Schiiten und Sunniten: einmal durch die islamische Revolution im Iran, deren Expansion zunächst vom Irak unter Saddam Hussein blockiert wurde, und dann durch das Abgleiten des Irak in die schiitische Sphäre im Anschluss an die amerikanische Intervention 2003. In den Zusammenhang dieser plötzlichen Veränderung gehört auch, dass die Hisbollah nach dem kurzen Krieg vom Juli 2006 die Führung der antiisraelischen »Ablehnungsfront« übernahm.
    Die Araber erhoben sich an der Seite der Alliierten im Laufe des Ersten Weltkriegs, um das Osmanenreich zu stürzen, das das Kalifat für sich beanspruchte. Die Osmanen waren 1914 an der Seite Deutschlands in den Krieg eingetreten und hatten den Dschihad gegen die Engländer und Franzosen ausgerufen. Die Alliierten waren bereits Kolonialmächte im afrikanischen Teil des Osmanenreichs (von Algerien bis Ägypten). Trotzdem strömten die Araber im Namen des arabischen Nationalismus massenweise ins Lager der Alliierten, um sich gegen die muslimische Großmacht der damaligen Zeit zu verbünden. Bezeichnenderweise gewann da der arabische Nationalismus deutlich die Oberhand über den Panislamismus und den Ruf zum Dschihad. Die Erhebung
fügte sich ein in die Reihe der europäischen Nationalbewegungen des 19. Jahrhunderts, die von der Übereinstimmung zwischen einem Gebiet und einer ethnisch-sprachlichen Gruppe ausgingen (was auch auf den Zionismus zutrifft). Sie fand natürlich parallel zu einer Veränderung bei den Osmanen selbst statt, wo vor 1914 die Jungtürken und nach 1918 Atatürk ebenfalls eine ethnisch-sprachliche Sichtweise der Nation vertraten, zu Lasten der imperialen Ideologie des Sultans und des multiethnischen Charakters des Reiches. Aber die Alliierten spielten ein doppeltes Spiel. Einerseits versprachen die Briten ein arabisches Großkönigreich, das von der Haschemiten-Dynastie regiert werden sollte, die damals die heiligen Stätten verwaltete (davon handelt das Epos des Lawrence von Arabien). Andererseits teilten Frankreich und Großbritannien in den Sykes-Picot-Abkommen (1916) die arabischen Gebiete, die von den osmanischen Truppen aufgegeben wurden, unter sich auf.
     
    Das erste Trauma der arabischen Welt zwischen Suez und dem Iran war eben diese unerwartete Rekolonialisierung und die Aufteilung der Region in neue Staaten. Die Alliierten fügten die osmanischen Provinzen (vilayet) ihren aktuellen strategischen Interessen entsprechend zu neuen Gebilden zusammen. Der Gedanke eines unabhängigen Armenien oder Kurdistan wurde aufgegeben, Mossul wurde dem Irak zugeschlagen, und damit war die Aufteilung des Mittleren Ostens in nur noch drei ethnische Gruppen

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