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Der Falsche Krieg

Titel: Der Falsche Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Roy
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- Türken, Araber und Perser
- besiegelt, während man abwartete, dass sich die jüdische Heimstatt in einen Staat verwandelte. Der Libanon, das Westjordanland und der Irak wurden buchstäblich künstlich hergestellt, Syrien wurde verkleinert, und in der Balfour-Deklaration stimmten die Engländer der Schaffung einer »jüdischen Heimstatt« in Palästina zu (1917). Als die Saud-Dynastie über die Haschemiten siegte - die Engländer hatten beide Dynastien, die um die Kontrolle der heiligen Stätten rivalisierten, ermutigt -, löste sich Arabien, das zu Saudi-Arabien geworden war, aus den beiden Haschemiten-Königreichen (Westjordanien und Irak) heraus. Der Traum von einem großen arabischen Königreich vom Mittelmeer bis Mesopotamien war zerplatzt. Es ist zwar sehr wahrscheinlich, dass ein solches Königreich, wenn die Alliierten es König Faisal anvertraut hätten, letztlich doch zerfallen wäre, entlang anderer Bruchlinien. Doch wird die Schuld für die Spaltung den westlichen Ländern angelastet.
     
    Das zweite Trauma ist die Gründung des Staates Israel 1948, genau in dem Augenblick, als die arabischen Staaten die volle Unabhängigkeit erlangt hatten und mit Plänen für eine arabische Union aufwarteten, um die Niederlage von 1918 wettzumachen. Israel gilt im Mittleren Osten als westlicher Brückenkopf, eine Art Fortsetzung der großen Spaltung, die zwischen 1918 und 1922 stattfand.
    Die Existenz Israels sollte den panarabischen Nationalismus wiederbeleben, allerdings im negativen Sinne,
denn er definiert sich gegen etwas und nicht für etwas. Alle Versuche, dem Panarabismus politische und territoriale Realität zu verleihen, sind kläglich gescheitert. Der wichtigste Versuch bestand im Zusammenschluss zur Vereinigten Arabischen Republik, die von 1958 bis 1961 Ägypten und Syrien vereinte. Die Baath-Partei, die 1947 als Inkarnation des Panarabismus gegründet wurde (im Übrigen eine laizistische Partei, in der arabische Christen eine wichtige Rolle gespielt haben), definiert jedes arabische Land als eine »Region« und behält die Bezeichnung »Nation« der Gesamtheit der arabischen Länder vor. Obwohl es ihr gelang, 1963 sowohl in Syrien als auch im Irak an die Macht zu kommen, suchten die beiden Länder daraufhin nicht den Zusammenschluss, sondern standen sich unmittelbar als Kontrahenten gegenüber, was die Spaltung der Partei nach sich zog und in beiden Ländern für Unklarheiten und Verwicklungen zwischen Partei und politischer Führung sorgte.
    Der laizistische Arabismus besitzt keine Möglichkeit der transnationalen Einflussnahme mehr, im Gegensatz zu einem islamischen Panarabismus, wie ihn die Muslimbrüder verkörpern. Die Unfähigkeit, Israel zu besiegen und die palästinensischen Flüchtlinge zu integrieren, hat den politischen Panarabismus gesprengt. Angesichts der fortdauernden Existenz Israels machte sich allmählich Resignation breit, spektakulärstes Zeichen dafür war die Anerkennung des jüdischen Staates durch Ägypten unter Präsident Anwar al-Sadat mit dem Friedensvertrag von 1979. In dem Augenblick, als nach
dem Scheitern des Friedensprozesses von Oslo viele Israelis fest glaubten, der Frieden mit den Arabern sei ausgeschlossen, waren die Anzeichen dieser Resignation aus den arabischen Staaten am deutlichsten: Ende des Rüstungswettlaufs, der darauf abgezielt hatte, eine unmögliche strategische Parität doch noch zu erreichen, Distanz gegenüber den Palästinensern (vor allem seit den Erfolgen der Hamas), kaum verhüllte Kritik an der Hisbollah und wachsende Sorge über den Aufstieg eines gemeinsamen Feindes, des Iran. Israels Gegner sind nicht mehr die arabischen Staaten, sondern Bewegungen wie die Hamas und die Hisbollah. Darum gibt es heute eine historische Chance, Frieden zu schließen, aber sie wird wohl ungenutzt bleiben.
     
    Und schließlich spielt sich ein drittes traumatisches Ereignis vor unseren Augen ab: Die politische Vormacht der sunnitischen Araber im Mittleren Osten östlich des Suez-Kanals löst sich auf, weil der Irak, unabhängig von der weiteren Entwicklung im Einzelnen, auf keinen Fall weiterhin ein sunnitischer arabischer Staat sein wird: Wenn der Irak als arabischer Staat bestehen bleibt, wird er schiitisch sein, wenn er geteilt wird oder in Anarchie zerfällt, wird er kein Staat mehr sein, und wenn der Iran ein Protektorat errichtet (was am wenigsten wahrscheinlich ist), wird der Irak nicht mehr arabisch sein.
    Die einzige stabile Grenze des Osmanischen Reiches war

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