Der falsche Mann
der Art.
» Lee, es gibt Zeiten für Späße und Zeiten, in denen Schluss mit lustig ist. Das ist eine Schluss-mit-lustig-Zeit. Diese Leute sind eine echte Bedrohung. Eine Anwaltsgehilfin und ein Anwalt sind tot. Die haben versucht, mich zu ermorden. Ich würde meine Anwaltslizenz drauf verwetten, dass die was Großes planen.«
Er dachte einen Moment nach. » Haben Sie Fotos, wie sie diese Sturmgewehre abfeuern.«
Ich schüttelte den Kopf. » Sie haben mich entdeckt, bevor ich Fotos machen konnte. Ich hab’s vermasselt.«
Tucker klappte sein kleines Notizbuch zu und wedelte damit in meine Richtung.
» Okay«, sagte er. » Okay. Ich hab die Informationen.«
Ich liebe die Ausdruckweise dieser Typen. Absolut nichts preisgeben. Nicht mal ein einfaches Wir-schauen-uns-das-mal-an. Einfach nur die simple Bestätigung, dass er das Gesagte zur Kenntnis genommen hatte.
Und das lief nach meinen bisherigen Erfahrung mit dem FBI auf Folgendes hinaus: Sie würden das tun, was sie für angebracht hielten, und mich würden sie über ihr weiteres Vorgehen von Anfang bis Ende komplett im Dunkeln lassen.
Trotzdem atmete ich erleichtert aus. Ich hatte getan, was in meiner Macht stand. Ich hatte die Sache an die Experten weitergegeben. Natürlich würde ich meine eigenen Ermittlungen vorantreiben, aber das FBI hatte Ressourcen, von denen ich nur träumen konnte.
Ich war mir sicher, dass Randall Manning und Konsorten etwas im Schilde führten.
Jetzt konnte ich nur hoffen, dass mich das FBI ernst nahm.
72
Als Nächstes rief die Staatsanwaltschaft die Rechtsmedizinerin in den Zeugenstand. Dr. Mitra Agarwal arbeitete seit mehr als dreißig Jahren im Büro des County Coroners und war gegenwärtig die stellvertretende Leiterin dort. Außerdem war sie eine alte Freundin meines Mentors Paul Riley, und wir standen schon seit Jahren privat und beruflich miteinander in Kontakt. In meiner Zeit als Staatsanwalt hatte sie zweimal für mich ausgesagt. Die Geschworenen mochten sie, denn sie hatte nichts Anmaßendes oder Arrogantes. Ihr Auftreten war so schlicht und geradeheraus wie nur denkbar. Das graue Haar fiel ihr glatt auf die Schultern. Ihre inzwischen leicht faltige braune Haut war sommersprossig. Das Alter ließ sie ein wenig gebückt erscheinen, aber sie sprach noch immer mit kräftiger Stimme.
Keine Ahnung, warum sie diesen Fall übernommen hatte, vermutlich hatte sie gerade Dienst, als Kathy Rubinkowskis Leiche hereingerollt wurde. Als stellvertretende Chefin hätte sie keine Autopsien mehr durchführen müssen, doch wäre ihr das vermutlich nie in den Sinn gekommen. Sie war ein Arbeitstier.
All das machte sie zu einer guten Zeugin für die Anklage und zu einer schrecklichen für mich. Die einzige gute Nachricht war, dass sie eine absolut ehrliche Haut war – zu ehrlich für den Geschmack der meisten Staatsanwälte. Trotzdem war hier unterm Strich nicht viel zu holen. Die Todesursache stand außer Frage. Ich hätte mit der Staatsanwaltschaft eine Übereinkunft treffen können, doch die Verteidigung brauchte ein paar Informationen von der Zeugin; außerdem wollte die Anklage durch sie ein paar drastische Fotos einführen, was ich durch meine vorgerichtlichen Anträge nicht hatte verhindern können.
Wendy Kotowski überließ ihrer ersten Assistentin, einer Frau namens Maggie Silvers, die Befragung der Zeugin. Vermutlich weil sie Dr. Agarwal für eine sichere Zeugin hielt. Die Staatsanwältin führte die Jury akribisch durch die Referenzen der Rechtsmedizinerin und durch die von ihr vorgenommene Autopsie.
» Die Kugel durchdrang Haut und Muskulatur der Stirn«, sagte die Ärztin, während sie auf ein Diagramm des menschlichen Schädels zeigte. » Sie durchschlug die Glabella und setzte ihren Weg bis zum Hinterhauptbein fort, wo sie steckenblieb.«
» Und das Blut, Frau Doktor?«, fragte die Anklägerin und deutete auf ein Foto der Blutlache, die sich rund um den Kopf des Opfers gebildet hatte. » Rührte es von dem Schuss her?«
» Ja, ganz sicher. Keilbein und Siebbein wurden zerschmettert. Das sorgte für starke Blutungen. Und vergessen Sie nicht, selbst nach Erlöschen der Hirnaktivitäten schlägt das Herz noch weiter. Möglicherweise hat das Opfer bis zu fünf Minuten so dagelegen, bevor auch das Herz seine Aktivitäten einstellte.«
» Verstehe«, sagte die Anklägerin. » Sie haben das Erlöschen der Hirnaktivitäten erwähnt. Was meinen Sie als Sachverständige, wodurch wurde das bewirkt?«
Dr. Agarwal nickte. »
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