Der falsche Mann
meiner Maglite – meiner Taschenlampe – direkt an und gab mich als Polizist zu erkennen. Im Gras links neben ihm entdeckte ich eine Pistole. Eine Glock. Daraufhin zogen meine Partnerin und ich unsere Waffen. Ich befahl der Person, die Hände zu heben, sodass ich sie sehen konnte.«
» Seine Hände steckten in der Tasche?«
» Das ist korrekt.«
» Was tat er, als Sie ihn aufforderten, die Hände zu heben?«
» Zuerst gar nichts. Ich wiederholte den Befehl. Er reagierte nicht.«
» Aber dann …«
» Dann zog er eine Hand heraus und starrte in den Lichtkegel der Taschenlampe. Seine Waffe lag links von ihm, also bestand kaum die Gefahr, dass er danach greifen würde.«
Er versuchte, sich in diesem Punkt zu rechtfertigen.
» Und dann griff er mit einer einzigen schnellen Bewegung nach einer Holzlatte und schleuderte sie nach mir. Es war eine Art Bumerangwurf. Die Latte traf mich an der Brust und schlug mir die Taschenlampe aus der Hand.«
» Und was geschah dann?«
» Ich stolperte rückwärts, Ma’am, und da meine Partnerin mich gerade von hinten umrundete, stürzte ich auf sie.«
» Und der Angeklagte flüchtete zu Fuß«, kam Wendy ihm zu Hilfe.
» Das ist korrekt, Ma’am. Das Ganze ist mir unangenehm. Aber er entkam. Er rannte nach Westen, und wir verfolgten ihn. Er sprang über einen Zaun und rannte auf der Gehringer Street etwa drei Blocks nach Norden. Wir riefen über Funk Verstärkung, und zwei Streifenwagen schnitten ihm den Weg ab.«
» Und dann?«
» Der Verdächtige – der Angeklagte – fiel auf die Knie und legte die Hände hinter den Kopf.«
» Sie haben ihn festgenommen.«
» Das ist korrekt, Ma’am.«
Wendy befragte den Officer zur Sicherstellung der Beweisstücke – Mordwaffe, Handtasche, Halskette und Uhr. Außerdem hatten die Beamten im Park die Stelle gefunden, wo Tom hauste. Abschließend ließ Wendy den Beamten noch den Vorgang der Abgabe der Beweisstücke auf dem Polizeirevier schildern.
Um Viertel vor zwölf war die Zeugenbefragung abgeschlossen. Ich wollte unbedingt mit Lee Tucker sprechen und hoffte, der Richter würde sich in die Mittagspause zurückziehen.
» Kreuzverhör, Mr. Kolarich?«, fragte er.
» Damit würden wir die Zeit überziehen, Euer Ehren.«
» Kreuzverhör, Mr. Kolarich?«, wiederholte er.
Ich erhob mich. Ein stechender Schmerz durchzuckte mein Knie. Ich gehe beim Kreuzverhör gerne im Gerichtssaal auf und ab, was heute jedoch recht schmerzhaft würde.
» Officer, nach der Verhaftung entdeckten Sie bei Ihrer Suche im Park die Stelle, an der sich mein Mandant eine notdürftige Behausung eingerichtet hatte. Mit Decken, Lebensmitteln in Dosen und dergleichen.«
» Korrekt, Sir.«
» Und dieser Platz lag in der südwestlichen Ecke des Park, richtig?«
» Das ist richtig.«
» Sie lag direkt an den Zäunen? An der Ecke, wo der südliche auf den westlichen Zaun stößt?«
» Ja, Sir.«
» Die Ecke, die dem Tatort am nächsten liegt.«
» Das … das trifft wohl zu, Sir.«
Ich blickte zur Jury. » Weniger als einen Block vom Tatort entfernt.«
» Korrekt.«
Dieser Umstand war ein zweischneidiges Schwert. Einerseits machte er ein Gelegenheitsverbrechen wahrscheinlicher. Tom war in seinem Unterschlupf, bemerkte die Frau und raubte sie aus. Andererseits unterstützte diese Tatsache auch meine eigene Theorie.
» Jemand, der vom Tatort zur südwestlichen Parkecke läuft – oder besser joggt –, bräuchte für den Weg nur ein paar Sekunden, richtig? Weniger als eine Minute?«
Officer Crespo dachte kurz darüber nach. » Vermutlich nicht mehr als eine Minute.«
» Jemand konnte also, nachdem er Kathy Rubinkowski ermordet und ausgeraubt hatte, in weniger als einer Minute ihre Habseligkeiten und die Mordwaffe über den Zaun und in Tom Stollers Schoß werfen.«
» Einspruch.« Wendy Kotowski war aufgesprungen. » Aufforderung zur Spekulation.«
Der Richter setzte seine Brille ab und putzte sie mit einem Tuch. » Der Zeuge ist gehalten zu antworten.«
Das kam überraschend. Ich persönlich hätte dem Einspruch stattgegeben. Aber Richter Nash war nicht wie die meisten Richter.
» Vermutlich wäre das möglich gewesen«, sagte Crespo. » Aber es bedeutet gleichzeitig, der Angeklagte konnte das Opfer innerhalb von Sekunden erreichen, es töten und ausrauben.«
» Ich bin froh, dass Sie das aufbringen«, sagte ich. Ein Satz, den ich üblicherweise sage, wenn ich nicht froh bin, dass jemand etwas aufbringt. Damit will ich den kleinen Schockmoment
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