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Der falsche Mann

Der falsche Mann

Titel: Der falsche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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Die Kugel erzeugte eine Schockwelle, die im Wesentlichen jede Hirnaktivität zum Erliegen brachte. Der Hirntod trat höchstwahrscheinlich direkt nach Einschlagen der Kugel ein. Das erklärt auch die Verletzungen an ihren Knien und an der einen Seite ihres Schädels.«
    » Erklären Sie uns das bitte. War es das, was wir umgangssprachlich ›tot umfallen‹ nennen, Frau Doktor?«
    » Man kann diesen Ausdruck durchaus verwenden. Sie starb durch den Einschlag der Kugel und brach auf der Straße zusammen. Ihre rechte Kniescheibe wurde durch den Sturz zertrümmert, außerdem erlitt sie deutliche Kontusionen auf der rechten Schädelseite.«
    » Sie war tot, bevor sie auf dem Boden aufschlug?«
    » Richtig.«
    » Und die Blutungen in ihren Augen, Frau Doktor?«
    » Ja, schauen Sie hier.« Die Ärztin zeigte auf eine Nahaufnahme des Opfers. » Ihre Orbitalknochen wurden durch die Druckwelle der Kugel zerschmettert. Und wie bereits erwähnt schlug ihr Herz weiter, sodass Blut ins Gewebe rund um ihr Auge drang.«
    » Also, Frau Doktor, die zertrümmerte Kniescheibe, die blutunterlaufenen Augen, die Kontusionen am Schädel – all das sind Folgen des Schusses?«
    » Ohne Frage. Der Schuss ist die Todesursache. Es gibt sonst keinerlei Spuren wie etwa von Schlägen oder sonstiger äußerlicher Gewaltanwendung.«
    Die Zeugin schien etwas voreilig zu diesem Schluss gekommen zu sein und die letzte Frage der Anklägerin vorweggenommen zu haben. Da diese nun ihrer letzten geplanten Frage beraubt war, blätterte sie einen Augenblick ratlos in ihren Notizen. » Vielen Dank, Frau Doktor«, sagte sie schließlich.
    Ein etwas holpriges Ende, aber die Aufgabe war erledigt. Sie hatte herausstreichen wollen, dass der einzige Angriff auf Kathy Rubinkowski in dem Schuss zwischen ihre Augen bestanden hatte. Keine Schläge, Tritte oder Ähnliches, denn an Tom Stoller hatte man keinerlei dementsprechende Spuren gefunden. Er hatte keine Schwellungen oder Blut an den Händen oder auf den Schuhen. Ein einziger Schuss hatte das Opfer tot zusammenbrechen lassen.
    Shauna hatte die Sachverständigen in diesem Fall übernommen, also war sie mit dem Kreuzverhör an der Reihe. » Frau Doktor«, sagte sie, noch bevor sie ans Pult trat. » Rund um das Einschussloch im Schädel des Opfers fanden sich keine Abschürfungen oder Druckstellen auf der Haut, nicht wahr?«
    » Nein, so etwas gab es nicht.«
    » Und auch keine Schussrückstände oder Pulverteilchen in der Haut?«
    » Nein, nichts dergleichen.«
    » Und keine Schmauchspuren, richtig?«
    » Korrekt.«
    » Sie können also mit einem gewissen Grad medizinischer Exaktheit sagen, dass die Mündung der Waffe mindestens einen Meter vom Schädel des Opfers entfernt war, richtig?«
    » Richtig.«
    Shauna ließ das einen Augenblick lang wirken. » Also war der Schütze mehr als einen Meter entfernt, oder?«
    » Es scheint so, ja.«
    » Sie gehen davon aus, richtig?« Shauna mag es nicht, wenn Zeugen ausweichend antworten. Das gehört zu den Dingen, die ich an ihr liebe. Allerdings macht sie das bei unseren privaten Diskussionen auch zu einer echten Nervensäge.
    » Davon gehe ich aus.«
    » Aber es ist durchaus möglich, dass der Schütze drei Meter entfernt stand, richtig?«
    » Ich würde nicht sagen, dass es un möglich ist.« Ein weiteres Ausweichmanöver.
    » Also ist es möglich.«
    » Ja, es ist möglich. Ich will damit nur sagen …«
    » Sie haben meine Frage bereits beantwortet, Frau Doktor.«
    Mit so etwas wäre ich nie durchgekommen. Vielleicht hat das mit dem Geschlecht zu tun oder meiner großen, die meisten Zeugen überragenden Statur. Trotzdem hinterließ es für mein Gefühl nie einen guten Eindruck bei der Jury, einem Zeugen das Wort abzuschneiden. Höchstwahrscheinlich hätte der Richter es mir nicht durchgehen lassen, doch Shauna schien der alte Bock zu mögen.
    » Die von Ihnen gefundenen Spuren, Frau Doktor, schließen also keineswegs aus, dass der Täter drei Meter vom Opfer entfernt stand?«
    Dr. Agarwal zögerte. Sie ließ sich nicht gerne auf Diskussionen ein, war aber auch nicht wirklich einer Meinung mit Shauna. Wir wussten alle, dass die Patronenhülse aus der Mordwaffe unter einem Baum auf dem Gehweg gelandet und die Waffe mit hoher Wahrscheinlichkeit aus drei Metern Entfernung abgefeuert worden war. Aber möglicherweise war die Patronenhülse auch ein Stück über den Gehweg gehüpft, sodass die Schätzung von drei Metern geringfügig in beide Richtungen abweichen konnte.
    Shauna

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