Der falsche Mann
Befehle erteilen, ist es wichtig, dass man Sie ernst nimmt.«
» Korrekt.«
» Also? Er hat nicht auf Ihren unmissverständlichen Befehl reagiert?«
» Nein, hat er nicht.«
» Und dann haben Sie die Aufforderung wiederholt, richtig?«
» Ich … ja, ein zweites Mal.«
» Und wieder hat er in keiner Weise reagiert?«
» Einspruch, mangelnde Relevanz«, sagte Wendy. » Ich beantrage eine Unterredung mit dem Richter unter Ausschluss der Jury.«
Sie wusste, worauf ich hinauswollte. Ich stellte Tom als geistig krank dar, in seiner eigenen kleinen Welt abgeschottet, gleichgültig gegenüber den Rufen eines sich nähernden Polizisten.
» Ich denke, der Zug ist bereits abgefahren, Ms. Kotowski«, sagte der Richter, bevor Wendy ihre Unterredung bekam. Womit er zum Ausdruck brachte, dass ich bereits zwei Antworten zu diesem Thema erhalten hatte. Sie hatte ihre Chance verpasst. » Abgelehnt.«
» Officer? Auch beim zweiten Mal war Tom also nicht ansprechbar?« Jetzt, da ich freie Bahn hatte, verwendete ich einen mehr klinisch gefärbten Terminus, der Tom annähernd komatös erscheinen ließ.
» Das ist korrekt.«
Ich beendete das Kreuzverhör. Viel hatte ich nicht erreicht. Wendy dagegen hatte von diesem Zeugen alles bekommen, was sie brauchte, ohne dass ich seine Aussagen nennenswert hatte ankratzen können.
Staatanwaltschaft gegen Verteidigung – 1:0.
71
» Diesem Cop konnten Sie ja nicht viel anhaben.« Lee Tucker trug seinen üblichen bequemen Standardlook: blaues Sportsakko, weißes Hemd und Jeans. Er wirkte ausgemergelt und nicht sonderlich gepflegt mit seiner rauen Haut und dem langen schmutzig-blonden Haar.
Lee und ich hatten bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet. Er war mein vom FBI zugewiesener Führungsagent gewesen während der Ermittlungen gegen Gouverneur Snow. Das war eine lange Geschichte, und es soll dazu nur so viel gesagt sein: Im Allgemeinen kamen wir recht gut miteinander aus, hatten aber ab und zu auch unsere kleinen Reibereien.
Lee hatte eingewilligt, mich hier im Gerichtsgebäude zu treffen, und der Bezirksstaatsanwalt hatte uns für die Mittagspause ein Büro im achten Stock zur Verfügung gestellt.
Ich schilderte ihm, was ich zum augenblicklichen Zeitpunkt wusste: alles über den Mord an Kathy Rubinkowski, ihre rätselhafte Notiz und was ich über Global Harvest, Randall Manning und die assoziierten Firmen in Erfahrung gebracht hatte.
» Möglicherweise bauen diese Leute eine Bombe«, schloss ich.
Tucker gehörte nicht zur Abteilung für Terrorismusbekämpfung. Sein Fachgebiet war politische Korruption, ein beständig blühendes Geschäft in dieser Stadt. Aber er war nicht auf den Kopf gefallen und verarbeitete die Informationen rasch.
Er ging die Notizen durch, die er sich gemacht hatte. » Dieses Unternehmen liefert also Ammoniumnitratdünger an eine weitere von ihr aufgekaufte Firma. Und sie melden diese Verkäufe beim Staat und den Bundesbehörden. Das ist doch absolut legal, oder?«
» Ja. Ich glaube, dass an diesen Verkäufen etwas Ungewöhnliches ist, weil sie so heikel damit waren …«
» Klar, schon kapiert. Aber Sie wissen nicht, ob sie dieser Firma auch Nitromethan geliefert haben?«
» Nein. Ich versuche gerade, das herauszufinden.«
» Das heißt, bisher steht nur fest, dass diese Firma einer anderen Firma ganz legal ein Produkt verkauft hat.«
Ich nickte. » Dasselbe hab ich auch meinem Mitarbeiter erklärt, Lee. Ich verstehe das. Vielleicht ist das kein hinreichender Grund, um Nachforschungen …«
» Ganz bestimmt nicht.«
» Aber Sie können doch mal bei denen anklopfen, oder? Ich meine, wenn die wissen, dass Ihr Laden auf sie aufmerksam geworden ist, dann fahren die vielleicht ihre Aktivitäten runter. Und in der Zwischenzeit können wir Material für eine Anklage sammeln.«
» Wir«, sagte er. » Wir sammeln Material für eine Anklage.« Er nickte in Richtung Tür. » Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihnen diese Geschichte bei Ihrem aktuellen Fall helfen soll?«
» Das will ich nicht abstreiten. Ja, es würde mir helfen. Aber diese Leute bauen möglicherweise Bomben, Lee. Das geht weit über meinen Fall hinaus.«
Er nickte, wirkte jedoch immer noch skeptisch. Bei unserer letzten Begegnung hatte er wohl mitbekommen, dass ich nicht zu unterschätzen war. Vermutlich dachte er, ich wolle ihn für meinen Fall einspannen, ihn als Zeugen dafür aufrufen, dass das FBI aktiv wegen Terrorverdachts gegen Global Harvest ermittelte oder irgendwas in
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