Der falsche Mann
interessieren sich die Cops, nicht das FBI .«
Die staatlichen Polizeiorgane stellen normalerweise keine Zeugenschutzprogramme auf die Beine, aber das FBI arbeitet mit ihnen zusammen, wenn es sich für sie lohnt. All das erklärte ich Lorenzo.
» Oh, es wird sich lohnen«, versicherte er mir.
Was das betraf, musste ich mich vorläufig auf sein Wort verlassen. » Aber wenn ich Sie recht verstehe, sind Sie noch nicht bereit für den Deal?«
» Richtig. Und da ist noch eine weitere Frage. Wenn ich das durchziehen will, kann ich das über Sie laufen lassen, ganz vertraulich?«
» Ich denke, das lässt sich regeln, Lorenzo.«
Er beugte sich vor. Sein Gesicht war rot angelaufen. » Und die Sache, über die wir gesprochen haben, die bleibt unter uns.«
» Dieses Gespräch unterliegt der anwaltlichen Schweigepflicht, wenn Sie das fragen.«
» Ich frage nicht.« Seine Augen wurden kalt. Er hatte sich blitzschnell hinter die bedrohliche Fassade eines Mafiaschlägers zurückgezogen. » Ich mache hier eine klare Ansage. Das Ganze bleibt unter uns. Haben wir uns verstanden?«
Wenn ich wütend werde, habe ich die Angewohnheit, bis zehn zu zählen und erst dann zu sprechen. Ich bin nämlich bekannt dafür, gelegentlich unüberlegte Dinge zu äußern, und es war mein Neujahrsvorsatz, besser mit meinen Mitmenschen zurechtzukommen. Allerdings hatte ich diesen Neujahrsvorsatz bereits vor zwei Jahren gefasst, daher wirkte er wohl nicht mehr so richtig.
Ich kam beim Zählen nur bis vier. » Drohen Sie mir nicht, Lorenzo, und kontaktieren Sie mich nie wieder«, sagte ich. Dann erhob ich mich. » Jetzt haben wir uns verstanden.«
***
Nachdem Lorenzo Fowler die Kanzlei verlassen hatte, wandte er sich nach rechts und stellte sich an den Straßenrand, um ein Taxi herbeizuwinken. Ein paar Minuten später gab er auf und beschloss, stattdessen zu Fuß durch das Geschäftsviertel zu laufen.
Von der anderen Straßenseite aus beobachtete ihn Peter Ramini, die Hände in den Manteltaschen vergraben. In diesen Tagen hatte er immer die Hände in den Taschen. Er sah zu, wie Fowler am Ende des Blocks um die Ecke verschwand. Es gab keinen Grund, ihm zu folgen. Es spielte keine Rolle, wo Lorenzo jetzt hinging. Nur wo er gerade gewesen war, das zählte. Vorsichtig zog Ramini sein Handy heraus und drückte eine Schnellwahltaste. Keine vier Minuten später fuhr eine schwarze Limousine vor.
Er stieg hinten ein, ließ sich neben einen Mann namens Donnie fallen und schob die Hände zurück in die Manteltaschen. Er wartete, bis sich der Lincoln in Bewegung gesetzt hatte, bevor er zu sprechen begann.
» Zo hatte einen Termin bei diesem Anwalt«, sagte er. » Sein Name ist Jason Kolarich. Das Treffen hat gerade eben stattgefunden. Frag Paulie, was er wegen Zo unternehmen will.«
Donnie war ein großer Mann mit tief liegenden Augen. Seine Hüften wirkten, als hätte er einen aufgeblasenen Reifenschlauch unterm Hemd versteckt. » Sonst noch was?«, fragte er.
Ramini dachte einen Moment nach. » Ja«, sagte er. » Frag ihn auch, was er wegen Jason Kolarich zu unternehmen gedenkt.«
8
Dr. Sofian Baraniq lehnte sich in unserem Konferenzraum in seinem Stuhl zurück. Er war für einen Experten eher jung – in seinem Lebenslauf stand vierundvierzig –, aber mit den grauen Strähnen im Haar und dem Vollbart wirkte er recht seriös. Er sah fremdländisch aus, sprach aber absolut akzentfrei, war also offensichtlich in Amerika geboren. So oder so war es in Ordnung für mich. Ich kannte seine ethnische Herkunft nicht, aber sein Name ließ auf Indien, den Mittleren oder Nahen Osten schließen, und Experten mit solcher Abstammung genossen das Vertrauen der meisten Jurys. Vermutlich könnte man das als umgekehrten Rassismus, als positiven Rassismus oder einfach als Ignoranz deuten, trotzdem spielte es eine Rolle. Jurys begegneten Experten aus Asien oder den arabischen Ländern mit weniger Voreingenommenheit und mehr Respekt. Und wie jeder Anwalt nutzte ich jeden sich bietenden Vorteil, war er auch noch so klein.
» Es ist ein vertrackter Fall«, erklärte der Arzt. Sein Hemd unter dem Anzug war fleckig und seine Krawatte von einem trostlosen Graubraun. » Er hat eine posttraumatische Belastungsstörung und leidet unter Schizophrenie. Die Symptome sowohl der einen wie der anderen Erkrankung könnten sich bei der Tat ausgewirkt haben.«
Das war mir bereits bekannt. Bryan Childress hatte es mir erläutert. Tom Stoller hatte wegen seiner PTBS möglicherweise
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