Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der falsche Mann

Der falsche Mann

Titel: Der falsche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
Vom Netzwerk:
psychischen Probleme zu lösen.«
    » Sie heilen Tom nicht«, sagte Shauna. » Sie kleben einfach ein Pflaster auf seine Wunden.«
    » Absolut. Tom braucht Medikamente, aber er benötigt vor allem eine Psychotherapie. Er braucht soziales und berufliches Training. Möglicherweise braucht er auch eine Elektroschocktherapie.« Der Arzt schüttelte den Kopf. » Nichts davon kriegt er während des Vorverfahrens. Schon per Definition ist die Untersuchungshaft eine vorübergehende Unterbringung. Daher stellt der Staat keine Mittel für eine Langzeitbehandlung zur Verfügung.«
    Das war die traurige Wahrheit. Sie war mir seit vielen Jahren bekannt. Aber im Moment hatte ich dringlichere Sorgen. » Zurück zur Tat«, sagte ich. » Ist es denn möglich, dass Tom nicht einen PTBS -Flashback, sondern eine durch seine Schizophrenie ausgelöste Halluzination erlebte? War das möglicherweise der Auslöser für den Schuss auf Kathy Rubinkowski?«
    » Theoretisch durchaus vorstellbar«, sagte der Arzt. » Aber wie gesagt, im Moment kann ich noch nicht mal mit Sicherheit sagen, ob Tom überhaupt Halluzinationen hatte. Und noch viel weniger kann ich deren exakte Natur und Intensität beschreiben.«
    Ich seufzte.
    » Außerdem muss ich Ihnen mitteilen«, fuhr der Arzt fort, » dass ich vor Gericht bei einer allgemeinen Aussage über Schizophrenie auch erwähnen müsste, dass die von Schizophrenen ausgehende Gewalt sich in fast allen Fällen gegen sie selbst richtet. Ganz im Gegensatz zu dem, was man häufig im Fernsehen sieht.«
    Shauna tippte mit dem Stift auf ihren Notizblock. » Aber bei PTBS «, sagte sie, » ist ein gewalttätiger Ausbruch üblich.«
    » Es kommt häufiger vor. Jedenfalls häufiger als Gewalt gegen andere bei Schizophrenie.«
    Ich blickte zu Shauna. Wir versuchten beide zu entscheiden, welcher Weg der weniger aussichtslose war.
    » Tom leidet unter PTBS «, sagte der Arzt. » Ich weiß, die Staatsanwaltschaft wird dem widersprechen, trotzdem bin ich mir meiner Sache sicher. Es ist die beste Erklärung für die Ereignisse. Und so, wie ich es sehe, haben wir einen akuten Flashback auf Video dokumentiert. Außerdem spricht sein ganzes Verhalten dafür. Leider erzählt er mir nichts über den Irak – und obwohl das wenig hilfreich ist, ist es in gewisser Hinsicht symptomatisch. Sein Vermeidungsverhalten deutet auf die Tiefe seiner Traumatisierung hin. Hat er sich bei Ihnen schon über die Hitze beklagt?«
    Ich nickte. » Ja, hat er.«
    » Die Hitze erinnert ihn an den Irak. Natürlich ist ein stickiger Raum in einem Gefängniskrankenhaus nicht mit den Wüsten des Nahen Ostens vergleichbar, aber er löst Erinnerungen aus. Und der Patient will alles vermeiden, was ihn dorthin zurückversetzt.«
    Das erschien einleuchtend.
    » Außerdem zeigt er generelles Desinteresse. Ja, er ist richtiggehend fatalistisch, stimmen Sie mir da zu?«
    » Er hat mir erklärt, ihm ist egal, wer ihn als Anwalt vertritt, Hauptsache, es ist vorbei«, erwiderte ich. » Ich hab ihn jetzt zweimal getroffen, und er wollte über nichts reden, was mit der Tatnacht oder seinen Kriegserfahrungen zusammenhängt. Außerdem lehnt er jeden Aufschub seines Prozesses ab.«
    Schweigen. Anwälte speichern Informationen, verarbeiten sie, versuchen sie in eine Verteidigungsstrategie einzupassen, die ihren Mandanten rettet. Das ist eine Kunst, keine Wissenschaft. Fakten weisen in unterschiedliche Richtungen. Sie fügen sich nicht unbedingt fein säuberlich in eine logische Argumentationskette.
    » PTBS «, sagte Shauna.
    Ich holte tief Luft. » PTBS «, stimmte ich zu.
    » PTBS , aber dazu muss er uns dringend ein paar Informationen liefern«, sagte der Arzt. » Andernfalls bleibt meine Aussage über die Tatnacht zu unbestimmt.«
    » Verstanden.« Ich atmete aus. Das Ganze war noch komplizierter als erwartet.
    » Prozessbeginn ist immer noch der erste Dezember?«, fragte der Arzt.
    » Richtig. Im Moment zumindest.«
    » Wissen Sie schon, wann Sie mich in den Zeugenstand rufen werden?«
    » Jetzt und hier? Nicht wirklich. Der erste Dezember ist ein Mittwoch. Wir werden eine Jury auswählen, anschließend braucht die Anklage einige Tage für ihre Beweisführung. Weniger als eine Woche, würde ich vermuten. Also tippe ich auf den achten oder neunten.«
    » Okay, das könnte hinhauen. Denn am siebten geht es bei mir nicht.«
    Ich seufzte. » Herr Doktor, ich bin da auf Ihre Flexibilität angewiesen.«
    » Darum erwähne ich es ja. Am siebten ist es mir unmöglich. Da

Weitere Kostenlose Bücher