Der falsche Mann
waren Semesterferien.
Sie blickte mich an. » Machst du dich jetzt lustig über mich? Hast du irgendwas gegen Mathematik?«
» Nein, hey – ich liebe Mathematik. Mathe ist das Tollste seit … der Erfindung der Wissenschaft.«
» Weil das nämlich ein bisschen herablassend klang. Und das ist so ziemlich das Einzige, was ich nicht ertragen kann.«
Ich hatte offensichtlich an einen empfindlichen Punkt gerührt, von dem ich nichts geahnt hatte. » Tori, es tut mir leid. So hab ich das nicht gemeint.«
Es war das erste Mal, dass sie sich über irgendetwas aufregte. Normalerweise war sie ein cooles Mädchen, schien die meiste Zeit distanziert und äußerst kontrolliert. Irgendetwas machte sie nervös.
Unsere Beziehung war merkwürdig. Ich wusste nicht allzu viel über sie, und sie wusste kaum etwas über mich. Wir redeten nicht viel über private Dinge. Wir hielten einander auf Abstand. Trotzdem, je mehr Zeit ich mit ihr verbrachte, desto mehr Zeit wollte ich mit ihr verbringen. Vielleicht lag es an ihrer Distanziertheit. Durchaus möglich. Ich hatte noch nie eine Beziehung, in der ich der Werbende gewesen war. In der Schule war ich eine Sportskanone, und der Erfolg bei Mädchen ging mit sportlichen Erfolgen quasi automatisch einher. Nicht notwendigerweise waren das die Mädchen, mit denen man eine feste Beziehung eingehen wollte, aber wer zum Teufel wollte schon eine feste Beziehung eingehen?
Dann war da Shauna; wir waren zunächst Freunde gewesen und hatten eine kurze leidenschaftliche Beziehung gehabt, bevor wir beschlossen, dass unsere Freundschaft besser funktioniert hatte als unsere Romanze. Und dann war da Talia. Aber selbst Talia hatte bei mir den ersten Schritt unternommen.
Ich hatte nie das Gefühl gehabt, interessierter zu sein als die Dame meines Herzens. Bis jetzt.
Tori sagte: » Ich hab an deinem Fall gearbeitet, falls du wissen willst, womit ich mich beschäftigt habe. Und ich habe was rausgefunden.«
» Okay, großartig. Und was?«
» Kathy Rubinkowski war auf Facebook.«
» Oh, okay. Facebook. Okay. Bist du dort auf was gestoßen?«
» Nein, denn wir waren keine ›Freunde‹.«
» Tja, ganz offensichtlich wart ihr keine Freunde.« Ich blickte zu ihr hinüber, während ich fuhr.
» Weißt du irgendwas über Facebook?«, fragte sie.
» Klar. Irgendein Blödmann hat die Idee von zwei anderen Blödmännern geklaut oder so ähnlich. Und es gab einen Film darüber, in dem alle unglaublich intelligente, flüssige Sätze von sich gaben.«
» Du bist ein hoffnungsloser Fall. Sie muss mich auf ihre Seite einladen, und das kann sie jetzt natürlich nicht mehr. Aber wenn jemand einen Zugang bekommt, könnte ich dort auf ihrer Infoseite sicher ihre E-Mail-Adresse finden.«
» Ah, E-Mail. E-Mail kenne ich. Okay, ich hab verstanden. Mithilfe ihrer E-Mail-Adresse können wir uns in ihr Postfach reinhacken und rausfinden, ob sie irgendwas vorhatte.«
» Genau das war meine Idee. Glaubst du, Joel kann so was?«
Interessante Frage. Möglicherweise konnte er das tatsächlich. » Gibt es da nicht gewisse ethische Bedenken?«
» Theoretisch«, gab sie zu.
» Theoretisch? Tori, ich entdecke da ganz neue Seiten an dir.«
» Du siehst eine Seite, die nicht will, dass man einen armen, kranken jungen Mann für etwas hinhängt, das er nicht getan hat. Diese Seite siehst du. In diesem Sport wird mit harten Bandagen gekämpft – sagst du das nicht immer?«
Richtig. Aber ich hasste es, wenn Menschen meine Sprüche gegen mich verwendeten.
» Mist, wo sind diese Mapquest-Ausdrucke?« Ich tastete auf den Sitzpolstern herum und spähte in den Fußraum. » Schau mal auf der Rückbank nach«, sagte ich.
Sie drehte sich nach hinten. » Ich seh sie nirgends. Da ist nur ein großer Ordner.«
» Das ist Joels Gin-Rummy-Dossier.«
» Verwendest du immer noch Zeit darauf?«, fragte sie.
» Nein«, sagte ich. » Du hattest recht. Es ist Zeitvergeudung. Selbst wenn wir Gin Rummy finden würden, würde er sich zu nichts bekennen. Aber Joel hat sich so viel Mühe gemacht, und ich bezahle ihn nicht mal für diesen Mist. Also versuch ich, es wenigstens irgendwann zu lesen. Ich meine, es enthält Lebensläufe und Hintergrundmaterial. Es ist wie eine Enzyklopädie. Irgendwann finde ich schon Zeit dafür.«
» Wie auch immer«, sagte sie. » Ich such die Strecke auf meinem iPhone.«
» So was geht?«
» Du bist echt ein Dinosaurier, oder?«
» Ich ziehe ›old school‹ vor, Tori. Du hast einen Routenplaner auf diesem
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