Der falsche Mann
trotzdem verlieren. Aber in einem Kopf-an-Kopf-Rennen, wenn der Ausgang in beide Richtungen offen ist, wollen sich die Richter mit ihrer Entscheidung gut fühlen können. Sie wollen das Gefühl haben, das Richtige zu tun. Sogar ein Richter Nash – so hoffte ich jedenfalls.
Und sobald sie auf deiner Seite sind, gibst du ihnen den Präzedenzfall an die Hand, um deine Position zu untermauern und ihnen den Eindruck zu vermitteln, dass sie das Richtige tun. Du sagst ihnen: Hier ist die äußere Absicherung für deine innere Stimme. Hier ist die juristische Bestätigung für die Richtung, in die dein Herz dich drängt.
Nachdem ich ihm all das erklärt hatte, schaute Bradley zu mir auf. » Ich verstehe das jetzt besser. Danke, Jason. Das ist wirklich hilfreich.«
Ich hob den Zeigefinger. » Vergiss nie die menschliche Seite des Ganzen, junger Mann.« Ich blickte auf die Uhr. » Es ist fast Mitternacht. Vermutlich machen wir jetzt besser Schluss. Den Rest können wir morgen erledigen. Lass mich nur noch schnell ein paar Dinge überprüfen.«
Ich warf einen raschen Blick auf den Zeitungsartikel über die beiden Männer, die tot in einer Gasse auf der Southwest Side gefunden worden waren, und bei denen es sich um einschlägig bekannte Soldaten des Capparelli-Clans handelte. Das machte bereits drei tote Capparellis, wenn man Lorenzo Fowler mit hinzurechnete, und der Artikel spekulierte über einen drohenden Krieg zwischen den Capparellis und den Morettis.
Ich rief Lightner auf dem Handy an. » Wie steht’s?«, fragte ich.
» Gut«, sagte er. » Keine Veränderung.«
» In Ordnung. Ich fahr jetzt los.«
Ich legte auf und rief meinen Freund Ross Vander Way an.
» Hey, Ross, hier ist Jason.«
» Hallo, Mann.«
» Immer noch alles okay?«
» Klar doch.«
» Schön. Ich mach mich jetzt auf den Weg.«
Ich ging den Flur hinunter zu Shaunas Büro. Sie tippte die Vorlage für ein Kreuzverhör in ihren Computer. Sie trug ihre Lesebrille, was ich ziemlich scharf fand. Was ich allerdings wiederum ziemlich merkwürdig fand, weil sie für mich so etwas wie eine Schwester war. Was andererseits bizarr war, weil ich früher mal mit ihr geschlafen hatte. Na ja, wie auch immer.
» Bereit zu gehen, Süße?«
Sie streckte die Arme. » Klar, vermutlich eine gute Idee. Schließlich ist das Ganze ja ein Marathon und kein Sprint.«
» Richtig, außerdem, du weißt schon … wir sollten zusammenbleiben.«
Sie nickte grimmig. Der einfache Gang von der Kanzlei zu unseren Autos war zu einer lebensbedrohlichen Angelegenheit geworden. Ich trug meine Pistole bei mir, für den Fall der Fälle, war allerdings kein sonderlich guter Schütze.
Egal, im Moment waren wir für mein Gefühl noch relativ sicher.
Bradley, Shauna und ich – die Anwälte der Kanzlei Tasker & Kolarich – fuhren mit dem Aufzug hinunter zu meinem Wagen.
61
Patrick Cahill und sein Partner Dwyer hielten sich auf dem schmalen Gehweg zwischen Jason Kolarichs Stadthaus und dem Nachbaranwesen verborgen. Es war jetzt kurz nach ein Uhr nachts, und sie waren müde und froren, nachdem sie fast sieben volle Stunden hier ausgeharrt hatten. Aber je später es wurde, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass Kolarich jeden Moment auftauchen würde.
Sie hatten Glück gehabt. Der Weg war ein geradezu perfektes Versteck. Er lag direkt neben der Garage, war nur schwach beleuchtet und so schmal – kaum eineinhalb Meter breit –, dass Kolarich dort wohl kaum nach ihnen Ausschau halten würde.
Und der Nachbar hatte kein Fenster im Erdgeschoss oder im ersten Stock, von dem aus er den Weg hätte überblicken können. Zwar gab es ein Fenster im zweiten Stock, aber der Nachbar hätte sich weit hinausbeugen müssen, um auf den Weg hinabzuspähen, und selbst dann hätte er bei der herrschenden Dunkelheit wohl kaum etwas erkannt.
Sie hatten sich extra Thermounterwäsche, schwarze Kapuzenshirts und dicke Socken besorgt, die sie nun trugen. Trotzdem war es kalt. Die Temperatur lag jetzt bei minus zehn Grad. Aber damit kamen sie einigermaßen zurecht. Das größte Problem waren ihre Beine, die sich verkrampften. Alle halbe Stunde ging einer von ihnen den Weg zwischen den Häusern auf und ab, um sie zu lockern.
Über sich konnten sie jetzt zum ersten Mal die Nachbarn hören. Gedämpfte Stimmen, die vermutlich im zweiten Stock aus dem Fenster drangen. Dwyer stieß Cahill an, und sie lauschten.
» Ekelhaft. Das ist einfach ekelhaft!«
Es war eine Frau, die schrie.
» Du übertreibst!«,
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