Der falsche Mörder
vor, die Finanzen der Familie zu retten. Mit den Geschäften hatte sie nie etwas zu tun, sich aber schon immer für soziale Hilfsprojekte eingesetzt. Unter anderem für Flüchtlinge und andere Ausländer, die nach Island kommen wollten, um hier zu arbeiten. Aus ihrem Hobby entstand dann innerhalb von ein paar Jahren die Riesenfirma Zeitarbeit&Consulting, mit der es ihr auch gelang, das Familienunternehmen zu retten. Snjófrídur ist wirklich eine Frau, die Wunder wirken kann.«
Ich gehe in die Küche, um uns einen Jackie-Kaffee als Nachspeise zuzubereiten. Bringe dann zwei Gläser gefüllt mit köstlichem Supertrank ins Wohnzimmer. Tiefschwarzer Espresso mit einem Schuss amerikanischen Feuerwassers aus Tennessee, einer Prise Zucker und einem großzügigen Sahnehäubchen.
Setze mich dann in meinen tiefen Sessel. Proste Audur zu. Und lasse mir von ihr über die Selbstständige Theatergemeinschaft erzählen.
»Die Theatergemeinschaft entstand zuerst aus Eigeninitiative junger Schauspieler, die in den großen Theatern nicht genug zu tun bekamen«, beginnt sie. »Als ich vor drei Jahren die Intendantin der Gruppe wurde, hatte sie keine festen Örtlichkeiten. Aber es war reiner Zufall, dass Snjófrídur kurz vorher das Gebäude dieser alten Fischfabrik gekauft hatte, und es von Grund auf sanieren ließ. Unter anderem gab es einen großen Tagungssaal. Sie war sofort bereit, uns das Haus zur Verfügung zu stellen, und wurde unser Schutzengel. Sie gründete eine GmbH für den Betrieb, besorgte uns Teilhaber und schließlich Zuschüsse vom Staat und der Stadt. Außerdem tat sie auch private Sponsoren auf. Snjófrídur hat so tolle Beziehungen.«
Sie erzählt weiter über das Theaterleben, bis ich mich in den Monolog einmische und sie über Sjöfn ausfrage.
»Hoffentlich habe ich dich neulich nicht zu sehr geschockt«, antwortet Audur und nimmt einen kräftigen Schluck aus dem Glas. »Es war mir wirklich unmöglich, meine Gefühle zu verbergen, obwohl du vielleicht entsetzt darüber warst.«
»Überhaupt nicht. Genau das ist es doch, was ich hören will: die Wahrheit.«
»Sjöfn hatte vor etwas mehr als einem Jahr ihre Fallstricke für Matti ausgelegt. Daraufhin bekam sie im letzten Jahr eine Hauptrolle und sollte im nächsten Stück die Desdemona spielen, obwohl sie dafür nicht geeignet war.«
»Waren sie zusammen?«
»Was hast du denn gedacht? Egozentrik war ihr Spezialgebiet!«, antwortet Audur und beginnt aus heiterem Himmel über ihren eigenen Witz zu lachen.
Ihr Gelächter hört allerdings genauso abrupt wieder auf, wie es angefangen hat.
»Matti ist übrigens ganz schlimm vom Casanova-Syndrom befallen«, fügt sie hinzu. »Wie du vielleicht weißt, zeigt es sich bei Männern so, dass sie alle Frauen, die sie treffen, erobern müssen. Die Folge davon ist allerdings, dass sie normalerweise sofort ihr Interesse verlieren, sobald das Ziel erreicht ist.«
»Du scheinst ihn ja besonders gut zu kennen.«
»Das sollte ich wohl, denn wir haben zwei Jahre zusammengewohnt.«
Audur trinkt noch einen Schluck vom Jackie-Kaffee. Zum ersten Mal kann man Heiterkeit in ihren Augen ausmachen.
»Ich sehe, dass du dich darüber wunderst«, fährt sie fort.
»Aber es war vor allen Dingen unser glühendes Interesse für die Schauspielerei, das Matti und mich zusammenbrachte. Ich wusste auch immer, woran ich war, was seine Bettgeschichten anging.«
»Warum habt ihr euch dann getrennt?«
»Matti konnte, im Unterschied zu anderen Mädchen, von Sjöfn nicht genug bekommen. Er war ein paar Monate lang von ihr völlig besessen, so dass ich keine andere Wahl hatte, als unsere Beziehung zu beenden.«
»Hat sich nichts geändert, als Sjöfn mit Adalgrímur zusammenkam?«
»Es kam einfach nie in Frage, dass Matti und ich uns wieder zusammentun würden. Außerdem ging Sjöfn weiterhin ab und zu mit ihm ins Bett, weil sie immer mehrere Eisen im Feuer haben wollte.«
»War es dann für euch drei nicht schwierig, zusammenzuarbeiten?«
»Das Theater ist für mich wichtiger als alles andere. Ich wollte auch Snjófrídur nicht enttäuschen, das wäre wohl die allerletzte Tat meines Lebens. Solange sie mir zutraut, dass ich in der Lage bin, die Gesellschaft in Gang zu halten, werde ich meinen Arbeitsplatz nicht verlassen, weder aus Liebesdingen, noch aus anderen persönlichen Gründen. Nie.«
Der Jackie-Kaffee hat meinen ganzen Körper erwärmt. Ich fühle mich richtig wohl.
»Diese Dísa ist auch irgendwie merkwürdig.«
»Findest
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