Der falsche Mörder
bearbeiten sind.
Aber ich kann mich auf nichts richtig konzentrieren. Ich denke die ganze Zeit über den Mord am Obersten Gericht nach. Sjöfn und Matti.
Schließlich mache ich mich auf in die Innenstadt. Um Audur zu treffen.
Sie versteht sich in der Kunst, zuzuhören. Wie ein Psychologe im Kino.
Oder eine verständnisvolle Mutter.
Deshalb ist es mit unserem Mittagessen schon weit gediehen, als mir bewusst wird, dass sie kaum ein Wort aus eigenem Antrieb gesagt hat. Hat nur mit sichtbarem Interesse meinen Ausführungen über Dísas Niederträchtigkeit zugehört, die mich bestimmt auf Mattis Geheiß im dunklen Keller eingeschlossen hat.
»Was glaubst du?«, frage ich schließlich.
Sie guckt mich mit diesen wachen Augen an.
»Dir eine Falle dieser Art zu stellen, ist sowohl kindisch als auch dramatisch, und könnte daher zu Matti passen«, antwortet sie ruhig. »Und wenn Dísa auch noch gestanden hat, wenn auch indirekt, gibt es dann noch einen Grund, zu zweifeln?«
»Ich habe es jedenfalls als Geständnis aufgefasst.«
»Eben.«
Sie lächelt aufmunternd. Aber betrachtet mich dabei möglichst unauffällig eingehend.
Da komme ich zum Thema.
»Ist Matti wirklich so ein toller Imitator, wie behauptet wird?«
»Früher hat er das oft gemacht«, antwortet Audur. »Matti hat ein paar Jahre davon gelebt, auf Betriebsfesten und anderen Veranstaltungen als Unterhalter aufzutreten.«
»Und da hat er sich als bekannte Persönlichkeiten verkleidet?«
»Ja, er hat meistens Politiker und andere, die alle aus dem Fernsehen kennen, nachgemacht, manche davon wirklich brillant.«
»Hat er Perücken und Ähnliches benutzt?«
»Aber natürlich. Ein guter Imitator muss nicht nur wie das Original reden und sich bewegen, sondern auch das Aussehen so perfekt wie möglich kopieren. Den Zuschauern müssen die Stimme und das Äußere bekannt vorkommen.«
»Und Matti ist einer der Besten in dieser Kunst?«
»Ich denke, dass die meisten in der Schauspielszene dem zustimmen, egal, was sie sonst von ihm halten.«
Der tiefschwarze Kaffee wird langsam kalt.
Ich lasse die Stille eine Weile sprechen. Stelle die Tasse wieder auf den Tisch. Schaue ihr dann direkt in die Augen.
»Ihm ist es besonders gut gelungen, Adalgrímur darzustellen, nicht wahr?«
Die Frage kommt für Audur völlig überraschend. Das lässt sich nicht verbergen.
»Hat dir jemand davon erzählt?«, fragt sie.
»Stimmt es denn nicht?«
Sie starrt mich an. Als ob sie versuchen würde, herauszufinden, was hinter dieser Frage steckt.
Schließlich nickt sie.
»Doch, ja, Adalgrímur war einer von diesen öffentlichen Personen, die Matti sehr treffend nachahmen konnte.«
»Gibt es Bilder von ihm in dieser Rolle?«
»Du kannst dir wohl vorstellen, dass Matti von Kameras genauso begeistert ist wie von Spiegeln«, antwortet sie lächelnd.
»Wo kann ich mir diese Filme angucken?«
»Wahrscheinlich musst du Matti selber danach fragen.«
»Hast du keine Fotos?«
»Nicht von ihm als Adalgrímur verkleidet.«
»Also Matti ist der Einzige, der solche Bilder besitzt?«
»Mir fällt niemand anderes auf die Schnelle ein«, antwortet Audur. »Lass dir von ihm morgen die Videos zeigen.«
Ich schaue sie fragend an.
»Es ist hoffnungslos, in einem Schauspielhaus ein Geheimnis wahren zu wollen«, fährt sie fort und lächelt schwach. »Außerdem hat Matti mit dieser Einladung geprahlt, als ob sie eine fantastische Premiere wäre.«
»Vielleicht hat er ja auch Eintrittskarten verkauft?«
Audurs Lachen ist sympathisch. Aber ihre Heiterkeit reicht nicht bis in die Augen.
»Das wäre ihm zuzutrauen«, antwortet sie, »oder zumindest ein Video für danach.«
»Er hat doch wohl kaum eine versteckte Kamera in seinem Ferienhaus?«
»An deiner Stelle würde ich mit dieser Möglichkeit rechnen.«
Audur ist auf ihre Art nett.
Ich gucke sie eine Weile schweigend an. Überlege, ob es nicht gut sei, meine neue Idee erst mal an ihr zu überprüfen. Mal sehen, wie sie reagiert.
»Ich habe eine Theorie«, sage ich schließlich.
»Ja?«
»Die Goldjungs sind der Ansicht, dass Adalgrímur mit Sjöfn ins Gebäude des Obersten Gerichts gegangen ist und sie dort ermordet hat. Ich hingegen neige zur Annahme, dass Matti an diesem Tag Sjöfns Begleiter war, der sich als Adalgrímur verkleidet hat.«
Sie starrt mich eine geraume Weile an. Schweigend.
»Aber in den Nachrichten wurde doch gesagt, dass auf einer Überwachungskamera festgehalten wurde, wie sie zusammen ins Haus gingen«,
Weitere Kostenlose Bücher