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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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leide!«
    Nun vibriert der Fahrstuhl sanft. Ich versuche, mich in einer Art Hockstellung zu halten, damit Nike etwas mehr Platz hat. Das ist zwar unbequem, aber immerhin kann sie sich etwas aufrichten. Mein Gesicht presst sich gegen das Klingen-Gewehr von Crazy Tosser. Wo in diesem Ding wohl die Klingen stecken? Der Lauf ist zwar recht breit – aber so breit nun auch wieder nicht.
    »Wir sind garantiert längst aufgeflogen«, sagt Crazy mit gedämpfter Stimme. »Noch zwei, drei Minuten, dann wird das Virus neutralisiert.«
    Im Grunde trifft die Bezeichnung Virus für den Warlock 9300 nicht zu. Eher ist es ein Trojaner, der sich im Server des Labyrinths breitmacht und versucht, uns einen Weg ins hundertste Level zu bahnen. Aber es hat sich nun mal eingebürgert, alle Hacker-Erzeugnisse Viren zu nennen.
    »Das wollen wir doch erst mal sehen!«, widerspricht Maniac.
    Der Aufzug bebt immer stärker. Es ist, als ob er auf einem LKW-Anhänger stünde, der über holpriges Straßenpflaster rumpelt.
    Irgendwann fliegt aus einer Wand ein Stück heraus.
    Bastard atmet geräuschvoll ein und rückt von dem Loch ab, sodass wir noch enger zusammenrücken müssen. Obwohl es kaum vorstellbar scheint, klappt das. Und wer wollte Bastard seinen Wunsch, von dem Loch abzurücken, verübeln? Dahinter lauert das Nichts, eine graue geballte Dunkelheit ohne jede Kontur. Das ist weit furchteinflößender als jede Landschaft, die die Fantasie eines Menschen hervorzubringen vermag. Nikes Hände krallen sich in meine Schultern.
    »Was ist das?«, presst Pat heraus.
    Maniac schüttelt den Kopf und versucht hinter sich zu blicken. »Nichts.«
    Eine sehr vage Auskunft.
    »Geht es vielleicht etwas genauer?«, fragt Dschingis.
    »Das Programm durchläuft verschiedene Transformationen, um einem Angriff durch die Software auszuweichen«, erklärt Maniac. »Wer es noch präziser haben will … wir befinden uns gerade im Boot-Sektor auf einem der Server des Labyrinths.«
    Zuko kichert, als ob er etwas unglaublich Komisches gehört hätte.
    Mit einem Mal löst sich die Dunkelheit auf, an ihre Stelle tritt ein Gang, der ins Nichts führt. Seine Wände sind in Armeegrün gestrichen, die Decke ist miserabel geweißt, auf dem Boden liegt abgewetztes Linoleum. Irgendwo in der Ferne geht langsam ein Mann durch diesen Gang, der sich nun zu uns umdreht. Doch da ist es schon zu spät, da sind wir bereits weiter gesaust.
    Was war das? Wo? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich froh bin, nicht dort zu sein.
    »Suchen wir nach einem Umweg?«, will Bastard wissen.
    Was hier geschieht, interessiert sie alle. Sehr sogar. Denn sie alle verstehen weitaus mehr von diesen Vorgängen als ich. Für mich ist das Ganze lediglich ein spannender Film, ein magisches Abenteuer – und natürlich ein Teil meines normalen Lebens. Sie dagegen wissen, was hinter den bunten Bildern steckt.
    Dafür kann ich die Tiefe jederzeit verlassen …
    Vor das Loch schiebt sich abermals graue Dunkelheit. Dann glänzt etwas metallen. Es folgen Fetzen eines blauen Himmels, kaltes Bleiwasser und Flammenzungen. Und dann wieder graue Dunkelheit.
    Das Programm sucht einen Weg.
    Erneut graue Dunkelheit. Sie wird abgelöst von …
    Ein gellender Schrei entfährt mir, und ich zucke zusammen. Wäre im Fahrstuhl nur etwas mehr Platz, wäre Nike jetzt von meinen Schultern gerutscht.
    Durch die aufgerissene Verschalung ist eine Schlucht zu sehen, ein schmaler Streifen zwischen zwei Felsen. Die linke Felswand besteht aus blauem Eis, die rechte aus purpurrotem Feuer. Die Haarbrücke mache ich nicht aus, doch ich weiß, dass auch sie vorhanden ist.
    »Ljonka!« Maniac sieht mich entsetzt an. »Was hast du denn? Ist was passiert?«
    Vor dem Loch breitet sich wieder graue Dunkelheit aus. Mein Alptraum ist verschwunden, hat sich in Luft aufgelöst …
    »Es ist nichts weiter«, bringe ich heraus. Mir fehlt die Kraft, den Zwischenfall zu erklären.
    Jetzt legt sich der Aufzug auf die Seite. Er schwankt und schaukelt, als reite er auf Wellen.
    »Achtung!«, befiehlt Maniac. Als ob wir nicht schon längst auf alles gefasst sind …
    Es folgen ein Stoß und Stille, die nur dadurch durchbrochen wird, dass die Verschalung knistert.
    »Schlagt die Tür ein!«, verlangt Maniac mit gepresster Stimme. Er muss uns nicht lange überreden. Dschingis, der inzwischen auf Bastards Bauch liegt, rammt den Lauf seiner MP in die Spalte zwischen den Türen und stemmt sich gegen den Kolben.
    In der Öffnung taucht der lilafarbene

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