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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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fortzufahren: »Und sie ließen ab, die Stadt zu bauen.«
    Nicht nur ich muss an die Bibel denken …
    »Warum kannst du eigentlich nie etwas sauber und ordentlich machen?«, fragt Crazy mich, und in seiner Stimme schwingt Schmerz mit.
    »Das ist nun mal meine Natur«, rechtfertige ich mich.
    »Ob wir wohl Aussicht auf Bonuspunkte haben?«, will Maniac wissen.
    »Vergiss es! Das war die gesamte Wache des Imperators!«, schreit Crazy wütend. »Irgendeine Gruppe wird ganz bestimmt dieses Level erreicht haben! Und die spaziert jetzt ungehindert zum Palast!«
    »Ist das so schlimm?«, frage ich.
    Crazy schweigt kurz, seufzt dann und winkt schicksalsergeben ab. »Geschehen ist geschehen«, sagt er. »Lasst uns zum Palast gehen!«
    »Erst müssen wir unsere Daten eingeben!«, wirft Pat ein. »Falls jemand von uns abgemurkst wird …«
    »Nur haben wir diese Möglichkeit nicht. Formal sind wir nämlich gar nicht hier.«
    »Was soll das heißen?«, fragt Maniac. »Müssen wir dieses Level etwa in einem Anlauf meistern?«
    »Ganz genau. Verbuch das unter den Nachteilen, die dein Weg mit sich bringt.«
    »Scheiße«, sagt Schurka. »Dann müssen wir jetzt erst mal Ausrüstung finden … gute Waffen, MedKits und kugelsichere Westen.«
    »Nur wirst du nichts davon finden! Das letzte Level musst du mit dem durchlaufen, was du hast.«
    Daraufhin schweigen wir alle. Irgendwann räuspert sich Bastard laut und verkündet: »Wir haben unser Ziel also erreicht. Aber ob wir deshalb Grund zur Freude haben …?«
    Er hätte die allgemeine Meinung nicht treffender formulieren können.
     
    Der Palast des Imperators ist recht klein, fast nur ein lauschiges Häuschen aus schwarzem Stein.
    Hinter den Bäumen eines Parks verborgen, nehmen wir ihn in Augenschein. Diese Bäume sind komisch, haben bizarre Formen
und bunte Blätter. Um sie herum flattern Schmetterlinge von der Größe einer Hand. Als wir die Tiere zum ersten Mal gesehen haben, haben wir sofort zu den Waffen gegriffen, doch Crazy hat uns abgehalten und erklärt, die Schmetterlinge seien nicht gefährlich. Und auch die Bäume nicht. Tatsächlich verströmt der Ort mit seinem lilafarbenen Himmel, den bunten Blättern und dem tiefblauen Wasser der Seen Ruhe und Frieden. Nirgends ist eine Falle auszumachen. Vor dem Palast steht auch keine Wache, denn der Imperator hat keinen Schutz nötig.
    Jetzt warten wir.
    »Und du bist sicher, dass der uns abmurkst?«, will ich von Crazy wissen.
    »Ja. Das ist kein Mensch, das ist ein Programm. Jeder, der den Park betritt, wird in seine Datenbank aufgenommen. Er handelt jedoch nie impulsiv …«
    Die Trägheit des Imperators ist unsere Chance. Wir warten darauf, dass er den Palast verlässt – und wir seine Aufmerksamkeit dann auf das Team lenken können, das wir noch in diesem Level entdeckt haben. Sollte es zu einem Kampf zwischen diesen beiden Parteien kommen, haben wir eine Chance, uns in den Palast zu schlagen.
    »Sie kommen«, verkündet Maniac erleichtert. Er hat den Parkeingang im Auge behalten, ein hohes Tor in einem schmiedeeisernen, verzierten Zaun.
    »Er kommt«, rapportiert auch Crazy.
    Das Team, das den Park betritt, kenne ich nicht. Meine frühere Gruppe kämpft sich bestimmt immer noch durch die Levels. Die Leute sterben und werden wiedergeboren, erschrecken ihre Freunde mit Erzählungen von » solchen Mücken« und von »Schlangen, die alle Gift spucken«. Das Ende des Labyrinths ist für sie noch längst nicht in Sicht. Ich hätte also nicht so schlecht von
ihnen denken sollen. Ich hätte nicht einen von ihnen zu verdächtigen brauchen, der Dark Diver zu sein.
    Die Gruppe, die jetzt anrückt, muss vor einem oder zwei Monaten zu ihrem Kreuzzug aufgebrochen sein. Es sind mehr als ein Dutzend. Männer, Frauen und ein Mädchen im Teeniealter. Wer sie eigentlich sind, wie alt sie wirklich sind, welches Geschlecht und welche Muttersprache sie haben – das werden wir nie erfahren. Für uns sind sie weder Freunde noch Feinde. Sie sind lediglich Kanonenfutter.
    Und das Futter muss nicht unbedingt wissen, für welchen Schlund es bestimmt ist.
    Der Imperator, dessen Tod das Ziel dieses Spiels ist, ist gerade aus dem Palast getreten …
    Die Entwickler haben sich bei ihm einen Spaß erlaubt, denn er ist nicht einfach bloß anthropomorph gestaltet – es ist ein Mensch. Er trägt eine schneeweiße Toga, ist groß gewachsen, hat blondes Haar und aparte Gesichtszüge. Vermutlich hat er blaue Augen. Er ist der Fleisch gewordene Traum der

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