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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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wie du und ich!«
    Nike beugt sich vor, legt die Waffe auf den Boden und hebt die Hände. »Hört mal, Leute, ich habe nicht die Absicht, auf euch zu schießen! Schließlich haben wir alle das gleiche Ziel.«
    Pat reißt die Augen auf und fängt an zu zittern. Ich weiß genau, was er denkt.
    O ja, das ist vermutlich keine schöne Entdeckung. Er hat Nike für eine Freundin gehalten, sich vielleicht sogar auf kindliche Art ein wenig in sie verliebt …
    Und jetzt schwant ihm, dass seine Freundin eine Feindin ist.
    Der Dark Diver.
    »Ihr macht da alle einen Fehler …«, bringt Nike leise heraus.
    Crazy steht heute irgendwie auf der Leitung. Trotzdem richtet auch er seine Waffe auf die Frau.
    »Du bist ein Diver«, stoße ich aus.
    »Ja. Genau wie ihr zwei. Und? Ist das ein Grund, mich umzubringen? Dann nur zu!«
    Wir sehen uns an – und da höre ich, wie es schmatzt.
    Ich schaffe es gerade noch, den Lauf von Pats Waffe herumzureißen, sodass die Rakete in den Nebel schießt. »Lass das!«
    »Die hat meine Kiste auf dem Gewissen!«, schreit Pat, dem Tränen über die Wangen laufen. »Die, die …«
    Es geht ihm gar nicht um seinen Rechner. Am liebsten würde er sich jetzt selbst erschießen, seine Zuneigung zu Nike abknallen, die Dankbarkeit für ihre Hilfe, die Solidarität … am liebsten würde er jene Minuten ungeschehen machen, als er an ihr gehangen hat, fast ohnmächtig, wegen der Höhe und wegen des Frauenkörpers in seinen Armen …
    »Pat! Überstürze nichts!«, verlange ich eindringlich. »Niemals!«
    Und dann geht es los.
    Licht blitzt auf, der Nebel verzieht sich.
    Vor uns materialisiert sich der Imperator.
    Eine ganze Weile steht er bloß da, als sei er kein Programm, das nur eine Fähigkeit hat: zu töten. Er sieht sich um, dreht genau wie ein Mensch den Kopf von einer Seite zur anderen.
    Crazy Tosser weicht mit stierem Blick einen Schritt zurück.
    Er weiß, dass der Dark Diver nicht hier sein dürfte …
    Nike hebt bereits ihre Waffe auf. Da sie hinter dem Imperator steht, sieht er sie nicht.
    Das dauert alles zu lange!
    Tiefe, Tiefe, ich bin nicht dein …
    Krampfhaft zog ich die Maus über den Tisch. Es wäre zwar bequemer, die Bewegungen mit dem Sensoranzug nachzuvollziehen, aber die Maus war nun mal schneller.
    »Wer seid ihr?«, fragte der Imperator, der doch eigentlich gar nicht sprechen kann, mit monotoner Stimme.
    Daraufhin drückte Crazy Tosser ab.
    Die Klingen schossen wie ein silbernes Band aus dem Gewehr und hackten dem unverwundbaren Imperator den linken Arm ab.
    Entweder musste er halb tot zu uns gekommen sein – oder er war nur im Park unverletzlich.
    Doch so oder so, seine Kampfkraft hatte nicht gelitten: Er antwortete mit einer Explosion. Crazy verkohlte auf der Stelle, bis ihm das völlig intakte Gewehr aus der Hand fiel, die sich in Asche aufgelöst hatte.
    Habe ich dir gesagt, Pat, du sollst nie überstürzt handeln? Da habe ich mich geirrt.
    Ich brachte das Fadenkreuz auf Schläfenhöhe. Der Imperator schien das zu spüren, denn er sprang zur Seite, packte mit seiner unverletzten Hand Pat und schob ihn als Schutzschild vor sich. Aus dem Stumpf tropfte Blut, aus dem Gesicht des Imperators wich alle Farbe.
    Brachte ein Programm, das sich ständig vervollkommnet, dergleichen hervor?
    »Wer bin ich?«, fragte der Imperator.
    Da wusste ich, dass mir gleich die Nerven durchgehen würden.
    Wir haben alle zu lange in der Tiefe unsere Spielchen gespielt. Wir basteln uns Interfaces, die sich anpassen, wir zimmern uns computergenerierte Diener zurecht, die von ihrer Sache bald mehr verstehen als jeder lebende Mensch.
    Was wird aus einem Programm, das tagein, tagaus Menschen umbringt und selbst umgebracht wird? Ein Programm, das ununterbrochen läuft und bei Bedarf auf die schier unerschöpflichen Ressourcen aus dem Netz zurückgreift. Ein Programm, das
auf jede neue Taktik und Strategie seines Gegners reagieren soll, das die Reaktion eines Menschen adäquat einzuschätzen, das Gespräche zu belauschen und zu verstehen hat, das seinem Gegner nicht nur harte und exakte, sondern auch psychologisch vernichtende Schläge beibringen muss.
    »Schieß, Ljonka!«, schrie Pat.
    Ganz am Anfang – war dem Imperator da tatsächlich die Fähigkeit zur Geiselnahme eingespeist worden?
    Oder die Möglichkeit, Friedensverhandlungen zu führen?
    »Schieß!«
    Ich sah auf den Bildschirm und beobachtete, wie sich das Licht in den Augen des Imperators sammelte. Der gezeichnete Imperator hielt den gezeichneten

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