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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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schließe ich die Tür.
    »Das ist er also, der Tempel …«, murmelt Dibenko gedankenversunken und sieht sich um. »Was ist oben?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Wie du meinst«, bemerkt der Schöpfer der virtuellen Welt mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln. »Behaltet eure Geheimnisse nur für euch.«
    »Weshalb bist du gekommen?«
    »Wegen meiner Geheimnisse«, sagt Dibenko. »Ausschließlich deswegen.«
    »Nur fürchte ich, dass das längst nicht mehr nur deine Geheimnisse sind, Dmitri.«
    Dibenko antwortet nicht gleich. Ich frage mich, ob ich nicht sofort aus der Tiefe auftauchen sollte. Eine Waffe der dritten Generation muss ja schließlich nicht wie eine Waffe aussehen. Was, wenn er mit Hilfe eines Knopfes auf mich schießt? Wie will ich mich dann wegducken?
    »Ich komme als Freund«, sagt Dibenko da zu meiner Überraschung. »Ich habe nicht vor, dich anzugreifen. Das musst du mir glauben.«
    Fragend ziehe ich eine Augenbraue hoch. Ach ja, was für schöne Worte. Als Freund.
    »Wenn du mir nicht glaubst, dann glaubst du vielleicht deinen Freunden, die diesen Tempel gebaut haben!«, fährt Dibenko in scharfem Ton fort. »Meinst du etwa, ich wüsste nicht, was geschieht, wenn ich dich hier angreife?«
    »Und?«, frage ich in einem möglichst ironischen Ton. »Was geschieht dann?«
    »Dann sterbe ich«, antwortet Dibenko ernst. »Was ist? Schließen wir Waffenstillstand?«
    »Setz dich«, fordere ich ihn auf. »Unterhalten wir uns.«
    Auf dem Boden, genauer gesagt, auf den weichen Kissen, sitzt es sich sehr bequem. Die Menschen im Orient verstehen schon zu leben …
    Ich sage kein Wort, sondern warte, bis Dibenko anfängt. Der muss aber offenbar erst seine Gedanken ordnen.
    »Ich bin nicht dein Feind«, erklärt er schließlich. »Wirklich nicht.«
    Ich hülle mich in Schweigen.
    »Aus einer meiner Firmen sind einige vielversprechende Arbeiten gestohlen worden«, holt er aus. »Die würde ich gern zurückhaben. «
    »Willst du etwa behaupten, du hast keine Sicherheitskopie?«, frage ich scheinheilig.
    »Doch«, räumt Dibenko ein. »Das war ein sauberer Hack, bei dem nur Kopien gemacht wurden. Aber darum geht es gar nicht, Leonid! Die Zeit ist einfach noch nicht reif für diese Projekte!«
    Jetzt könnte ich meinen Sieg feiern. Dibenko gesteht alles – und ist in Panik.
    »Sehe ich auch so«, sage ich.
    »Dann bist du bereit, mir die Dateien zurückzugeben? Oder sie in meiner Anwesenheit unwiderruflich zu löschen?«
    »Nein.«
    Dibenko atmet scharf ein. »Leonid, du weißt doch genau, worum es hier geht!«
    Jetzt wird’s spannend. Er glaubt, die Dateien seien bereits im Tempel, mehr noch, er ist fest davon überzeugt, dass ich ihren Inhalt längst kenne.
    »Der Übergang zu einer neuen Welt muss sukzessive erfolgen …«
    Das hätte er sich sparen können!
    »Sag das mal den Eltern von Romka!«, platzt es aus mir heraus. »Mach ihnen klar, dass der Tod ihres Sohnes eine Begleiterscheinung des sukzessiven Übergangs in die Zukunft war!«
    Doch offenbar setze ich bei ihm mehr Wissen voraus, als es der Fall ist.
    »Romka? Ist das der junge Mann, der … den …«
    »Ganz genau der.«
    Wenn unsere Hirne Zahnräder wären, würde es jetzt ununterbrochen klickern.
    »Das war er? Dein früherer Partner? Der junge Diver?«
    »Ja.«
    »Das habe ich nicht gewusst.«
    »Warum hast du deinen Security-Leuten eine Waffe der dritten Generation gegeben?«
    Er schweigt und hängt seinen eigenen Gedanken nach.
    »Das habe ich nicht, Leonid«, sagt er dann. »Wirklich nicht. Das war ein Zufall …«
    »Mein Freund ist also rein zufällig gestorben?«
    »Dein Freund ist bei einem Hack gestorben.« Dibenko ist völlig außer sich. »Nach dem Alarm … die Panik … alle Security-Leute waren im Einsatz … und drei Dutzend junge Idioten von Entwicklern … Einer von denen schnappt sich plötzlich den Prototyp, um den Security-Leuten zu helfen. Er wusste nicht, was er in Händen hielt!«
    »Das wusste er nicht?«
    »Er wusste nicht, dass im Magazin tödliche Munition steckte.«
    Ich weigere mich, ihm zu glauben. Denn wenn ich das täte, würde ich ihm verzeihen. Damit würde ich mir das Recht auf meine Rache nehmen. Damit würde ich Romka das Recht auf Rache nehmen.
    »Es stimmt, wir haben an einer Waffe der dritten Generation gearbeitet«, fährt Dibenko unterdessen fort. »Im Auftrag der Polizei von Deeptown. Aber wir hatten auch ein eigenes Interesse an diesem Projekt. Daneben gab es noch eine ganze Reihe anderer, gewichtiger

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