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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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überlegt. Ein Passwort kann auch aus sinnvollen Wörtern bestehen. Das ist schließlich wesentlich bequemer. Der Satz muss nur völlig absurd sein und sich leicht einprägen. Dschingis’ Code passt zudem überhaupt nicht zu ihm – und das macht den Schlüssel so zuverlässig.
    Wobei er aber immer noch komisch bleibt.
    »Pass auf, Alter«, dröhnt Bastard ins Handy. »Dsching hat ein gutes Passwort, oder? Wir lachen uns hier fast kaputt!«
    »Fang an!«, verlangt der Dark Diver leise.
    »Also … mein Code ist auch ganz einfach. Aber ein paar Wörter könnten dir unbekannt vorkommen … wenn du also nicht weißt, wie sie geschrieben werden, frag lieber. Ansonsten … achte nicht zu sehr auf den Inhalt.«
    Dschingis verkrampft sich merklich.
    »Also … das ist etwas dreckig, mit Slang und vulgären Ausdrücken … aber du bist ja schon ein großer Junge …«
    »Schneller!« In der Stimme des Dark Divers schwingt eine leichte Drohung mit.
    »Solltest du es aber nicht verkraften, bringe ich dich zu einem Psychologen …«
    »Aus welchen Wörtern besteht dein Code?«, zischt Dschingis.
    Bastard seufzt und senkt die Stimme: »Also, pass jetzt genau auf! Die Buchstaben wechseln sich ab, der erste klein, der zweite groß, der dritte wieder klein und so weiter … ohne Zwischenraum zwischen den Wörtern. Und denk einfach nicht weiter darüber nach!«
    Dann nennt er sein Passwort.
    Die nächsten zehn Sekunden hängt Grabesstille in der Bibliothek. Der Dark Diver steht zum Götzenbild erstarrt da, sein Gesicht läuft puterrot an.
    Ich würde am liebsten ebenfalls rot werden. Aber das kann ich nicht.
    Schließlich durchbricht die eisige Stimme von Dschingis die Stille: »Was bringst du dem Jungen da bei?«
    Bastard schnaubt nur, antwortet aber nichts.
    »Ich bringe dich um, du verkommener Kerl!«
    Bastard verzieht das Gesicht und sagt in oberlehrerhaftem Ton: »Ja, mein Junge, ich weiß, dass dieses Wort nur selten im Plural gebraucht wird und deshalb ein wenig ungewöhnlich klingt. Nein, im Wörterbuch findest du es bestimmt nicht … in keinem. Aber nach den allgemein gültigen Rechtschreiberegeln müsste der Plural so lauten.«
    Dschingis atmet geräuschvoll aus.
    »Was?« Bastard denkt kurz nach. »Nein, natürlich nicht! Eigentlich ist das unmöglich! Die Anatomie, Physiologie und die Psychologie eines Menschen lassen das gar nicht zu! Und wenn du das Problem einem Fachmann für Werkstoffeigenschaften vorlegst, dann würde er dir erklären, dass auch die Physik dagegen spricht. Es ist sozusagen eine Fantasie, die ironisiert und mit gewissen Kraftausdrücken beschrieben wird. Gut, wir reden später über diese Frage. Ja, das war alles. Vergiss es am besten gleich wieder, ja? Jetzt gib dein Passwort ein … und dann schicke uns die Dateien!«
    Ohne ein weiteres Wort zu sagen, legt der Dark Diver das Handy auf den Kaminsims zurück und tritt an den Zeitungstisch heran.
    Dabei habe ich den Eindruck, er würde darauf achten, nicht in Bastards Nähe zu kommen.
    »Was blieb mir denn anderes übrig, Dschingis?«, fragt Bastard in kläglichem Ton. »Ich will schließlich nicht sterben! Und dein Passwort … war ja auch nicht ohne!«
    »Mein Passwort war harmlos wie ein Weihnachtsfest im Kindergarten! «, empört sich Dschingis. »Jedenfalls verglichen mit deinem!«
    »Nun übertreib mal nicht, Dschingis! Etwas mehr Objektivität bitte!«
    »Wie konntest du nur je auf einen solchen Code verfallen?!«
    »Dafür ist er absolut sicher! Den knackt nie jemand!«
    »Selbstverständlich nicht. Solche Dreckschweine wie du kommen nur alle Jubeljahre einmal auf die Welt!«
    »Es tut mir wirklich leid«, sagt Bastard leise. »Entschuldige.«
    Ich höre ihrem Streit zu, mische mich aber nicht ein.
    Denn ich bin mit einer weitaus wichtigeren Sache beschäftigt: mit den Zehen zu wackeln.
    Die Lähmung klingt ab. Vielleicht ja bei uns allen – und Dschingis und Bastard haben es über ihrer Auseinandersetzung nur noch nicht mitbekommen. Vielleicht aber auch erst mal nur bei mir.
    Mit einem Mal ist ein Klatschen zu hören.
    Auf dem Zeitungstisch erscheint das kleine dicke Buch. Der Dark Diver grapscht danach und blättert es schnell durch.
    Hat er also sein Ziel erreicht. Nun würde ein neues Leben in Deeptown Einzug halten. Aller Physiologie und Werkstofflehre zum Trotz …
    Ich ziehe das Bein ganz leicht an. Bestens. Sogar meinen Körper kann ich wieder spüren.
    »Sehr schön«, bringt der Dark Diver heraus. »Ihr habt fair gespielt. Und das

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