Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)
exotische Dinge wie faule Eier, das Gekröse von Schlangen und andere Innereien hat er nie bestellt.
»Was sind Drachenaugen?«
»Kuchen«, antwortet Maniac grinsend.
»Oh.«
»Also, was ist los?«
Ich schweige.
Schurka reibt sich die Nasenwurzel. Anscheinend ist er gerade wirklich im Stress. Trotzdem antworte ich nicht.
»Gut. Was brauchst du?«
»Eine Waffe«, antworte ich.
»Da bist du bei mir an der falschen Adresse.« Maniac sieht mich finster an. »Damit habe ich schon seit Langem Schluss gemacht.«
»Bitte?! Aber du arbeitest doch bei Virtual Guns!«
»In der Abteilung für Abwehr«, stellt Maniac klar.
»Schurka …«
»Okay, aber du musst etwas Geduld haben, ich muss erst eine auftreiben«, streicht er die Segel. »Bei uns ist alles gut abgesichert. Zieh eine Datei vom Server der Firma runter – und du kannst dir gleich den Strick nehmen.«
»Was ist mit einem Tipp, wo ich selbst eine Waffe auftreiben könnte?«
»Hast du denn überhaupt nichts mehr?«
»Das ist alles alter Kram«, sage ich. »Die Pistole vom Revolvermann. Und dieser Körper … Proteus ist zwar nicht völlig unfähig, aber …«
»… nur gut, um Lamer zu erschrecken«, stimmt Maniac mir zu. »Gib mir mal einen Zettel. Und einen Kuli.«
Ich halte ihm einen Block hin, Maniac kritzelt schnell eine Adresse. »Hier.«
Mit gerunzelter Stirn lese ich die paar Zeilen. Vorname: Dschingis. Kein Nachname. Und eine Adresse … die seltsam ist. Ich versuche mir darüber klar zu werden, wo das sein könnte.
»Du lebst doch jetzt in Moskau, oder?« Maniac scheint überrascht, dass ich mit der Adresse nichts anzufangen weiß.
»Ja. Aber wo soll das sein?«
»Neben der Metrostation Krasnyje Worota, glaub ich.«
»Oh …!«
Manchmal stehe ich echt auf der Leitung.
»Wenn du kein Diver wärst, würde ich annehmen, du leidest am Deep-Fieber«, murmelt Maniac, der sich meine Zigaretten nimmt und gierig eine ansteckt. »Du ahnst ja nicht, was ich für einen Jieper auf eine Kippe habe. Bei uns auf Arbeit ist Rauchen strikt verboten.«
»Warum das denn?«
»Weil es schlecht für die Gesundheit ist!«
»Was soll eine gezeichnete Zigarette denn schon schaden?«
»Hast du vergessen, wo ich lebe?«, brummt Schurka mürrisch. »Diese wild gewordenen, dogmatischen Amis …«
»Raucht da niemand?«
»Doch«, speit Maniac. »Sie fressen auch Hamburger, diese Cholesterinbomben, schmatzen und ersticken fast an den Dingern. Stundenlang hängen sie am Handy. Jeder zweite läuft mit einem Fettarsch rum. Trotzdem können sie gar nicht genug für die Gesundheit kämpfen! Genauso wie wir, als wir noch mehr Panzer hatten als der Rest der Welt – und für den Frieden gekämpft haben. Dass die Erde eine Kugel ist, wissen vermutlich alle Amis. Aber dass es auf ihr noch was anderes als Amerika gibt, ahnen sie wohl nur. Ich habe die Schnauze echt voll …«
Der Kellner bringt Maniacs Bestellung und meinen Sake. Diesmal ohne Showeinlage, auch wenn die Gäste hoffnungsvoll zu uns rübersehen.
»Dann komm doch zurück«, fordere ich ihn auf. Maniac stößt bloß ein Schnauben aus. Er nimmt noch mal einen tiefen Zug an der Zigarette, dann drückt er sie aus. »Was ist eigentlich passiert? «
»Ich habe vorhin mal nach meinen alten Avataren gesehen. Einfach so …«
»Und?«
»Da wurde ich angegriffen.«
Dann erzähle ich die Geschichte in allen Einzelheiten.
»Das war die Polizei von Deeptown«, erklärt Maniac prompt. »Eine Einheit zum Kampf gegen Demonstranten.«
»Wie kommst du darauf?«
»Wegen der Schockkugeln. Die haben wir entwickelt. Erst vor Kurzem. Es ist noch gar nicht lange her, dass sie in die Standardausrüstung aufgenommen wurden.«
»Ich hab zwei von den Dingern abgekriegt. Was hat das für Folgen?«
»Keine dauerhaften. Starte den Rechner neu, dann kannst du wieder in die Tiefe gehen. Diese Munition wurde entwickelt, um Demonstrationen und nicht genehmigte Versammlungen aufzulösen. Die Kugeln sind human, aber extrem effizient. Sie richten bei fast allen marktüblichen Sound- und Grafikkarten Schaden an. Allerdings habe ich bisher noch nicht gehört, dass sie eingesetzt wurden. Sie sollten für ernste Auseinandersetzungen aufgehoben werden.«
»Gibt es einen Schutz dagegen?«
Maniac deutet mit dem Kopf auf den Zettel.
»Verstehe. Kann ich in der Tiefe zu diesem Dschingis?«
»Schon«, sagt Schurka. »Aber das würde dir nichts nützen. Solange er dir nicht in die Augen gesehen hat, kannst du jedes weiterreichende Gespräch
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