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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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hin, legte die linke Hand auf die Tastatur, die rechte auf die Maus. Dann gab ich ein: Gehe auf: Bauregistrierung.
    Wird erledigt.
    Jetzt auf: Antragsformular.
    Auf dem Bildschirm erschien ein Blanko-Formular. Ein endlos langes Ding, aber mich interessierte im Moment nur die erste Zeile. Der Name.
    Diver-in-der- Tiefe -Tempel, gab ich ein.
    Das Formular verschwand.
    Es folgte die traurige Mitteilung: Bedauerlicherweise ist bereits ein Bauwerk unter diesem Namen registriert. Bitte ändern Sie den Namen oder wiederholen Sie den Versuch später.
    So, so.
    Sämtliche Informationen über den Tempel waren geheim. Und außerdem vermutlich gefakt.
    Sofern deine Hardware ausreicht, kannst du natürlich auch heimlich etwas in der Tiefe bauen. Das ist zwar nicht ganz legal, und der Bau würde mit Sicherheit bald wieder abgerissen, doch das dürfte die Bauherren erst mal nicht von ihrem Vorhaben abhalten.
    Die Registrierung des Tempels hatte also nur ein Ziel: zu verhindern, dass ein Doppelgänger auftauchte, ein Pseudo-Diver-in-der- Tiefe -Tempel.
    »Treffer!«, flüsterte ich. »Ins Schwarze!«
    Damit blieb nur noch eine winzige Sache zu erledigen: Ich musste den Tempel finden. Dann würde ich Ilja zu ihm bringen, er sollte ruhig sein Geld für die Zustellung des Briefs kassieren. Und sobald er fröhlich abgezogen wäre, könnte ich mir endlich die Dateien ansehen. Im Tempel würde der Brief nämlich seinen Schutz einbüßen, da könnte ich ihn problemlos öffnen. Schließlich bin ich ein Diver. Die Architekten des Tempels dürften ja wohl kaum eine Einteilung in Gläubige und Abtrünnige vorgenommen haben. Sicher, es gab einige, die haben den Tempel gebaut, andere dagegen haben nicht mitgemacht – aber wenn du ein Diver bist, kannst du ihn betreten.
    »Vika«, bat ich. »Check den Pager von Proteus.«
    Ehrlich gesagt, rechnete ich nicht mit einer Antwort. Doch es gab eine. Von Crazy Tosser.
    Erwarte dich im Büro vom Labyrinth des Todes. Frag nach Richard.
    Aha.
    Bei Crazy war ich mir fast sicher gewesen, dass er nicht reagieren würde. Offen gestanden, hatte ich sogar ein wenig darauf gehofft.
    Denn ich hatte ihn einmal umgebracht, wenn auch virtuell. Doch kein Diver ist auf eine solche Schweinerei vonseiten eines anderen Divers gefasst. Und kein Diver verzeiht sie.
    Ja, wenn dann alles anders gekommen wäre … wenn wir nicht von heute auf morgen hätten feststellen müssen, dass wir überflüssig geworden waren …
    Mir war etwas bange.
    Crazy Tosser war einer der ältesten und respektiertesten Diver. Einer, dem ich eigentlich die Füße küssen müsste. Einer, dem ich auf gar keinen Fall widersprechen durfte, wenn er mir die alte Geschichte vorhielt.
    Aber Crazy würde auch wissen, wo der Tempel steht! Wer denn sonst, wenn nicht er?!
    Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle in meine Kluft geworfen und wäre in die Tiefe gegangen. Wenn ich bloß nicht so ausgehungert gewesen wäre! Das virtuelle Essen verjagt den Hunger zwar für ein paar Stunden, aber selbst in den Drei kleinen Schweinchen hatte ich ja nur ein, zwei Bissen zu mir genommen.
    In der Küche wartete ein Frühstück auf mich, Vika hatte es mir gemacht. Zwei gekochte Eier und ein paar Käsebrote in Frischhaltefolie. Offenbar hatte sie angenommen, ich würde noch mindestens ein paar Stunden schlafen. Das Wasser im Teekessel war noch warm, ich goss mir einen löslichen Kaffee auf und verschlang das Frühstück.
    Die Tiefe wartete.
    Und irgendwo dort, in der Tiefe , tickte eine unsichtbare Uhr, die die Stunden und Minuten bis zu jenem Tag zählte, an dem in der virtuellen Welt Panik ausbrechen würde.
    Ich hatte nichts mehr, was ich noch zu meinen Aktivposten zählen konnte. Absolut nichts.
    Außer ein paar alten Beziehungen.
    Außer dem Wunsch zu gewinnen.
    Und eine Deep-Psychose als Zugabe.
    Ich stellte die Tasse ins Abwaschbecken und ging zum Rechner. Ganz langsam, als wollte ich Zeit schinden, schlüpfte ich in den Sensoranzug, stöpselte die USB-Stecker ein, startete das Testprogramm und machte ein paar Schritte und Sprünge.
    Alle Abweichungen befanden sich im Bereich des Üblichen. Ich konnte loslegen.
    Und als Erstes würde ich einen Mann aufsuchen, den ich mir vor zwei Jahren zum Feind gemacht hatte – und den ich jetzt um Hilfe bitten wollte.
    Ich stülpte mir den Helm auf und saß einige Zeit reglos vorm Rechner, den Blick starr auf die Displays gerichtet. Die Kopfhörer knisterten, wenn auch kaum wahrnehmbar, der Ventilator im Helm surrte lauter

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