Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)
als sonst.
Hypersensibilität ist ebenfalls ein Symptom einer Deep-Psychose.
Allerdings war der Helm auch längst schrottreif …
»Vika, gehe in die Tiefe . Figur … Nr. 7. Der Revolvermann.«
Deep.
Enter.
Ich liege auf dem Bett und studiere das Gesicht des Bikers. Er hat leere Augen, eine glatte, rosige Haut, und sein Mund ist etwas geöffnet. Eine Puppe. Eine Marionette. Es tut mir nicht leid, ihn auszurangieren.
Dann stehe ich auf, um mich im Spiegel zu betrachten.
Ach ja, Revolvermann, alter Freund.
Du hast auch schon bessere Tage gesehen.
Außerdem ist er nicht mehr up to date. Vor zwei Jahren, da durfte er nicht nur als passabler Typ gelten, da war er geradezu einer der Prototypen seiner Zeit. Jetzt weht in Deeptown ein anderer Wind. Jeans, Lederjacke und ein sehniger, hagerer Körper sind nicht mehr in. Inzwischen sind die Zeiten der massiven Kraftbolzen in teuren Anzügen und der infantilen Schönheiten in durchsichtigen, negligéhaften Fummeln angebrochen. Heute sind große, ausdrucksstarke Augen und bizarrer Schmuck modern. Es ist eine Mischung aus Unisex und Prunksucht.
Ich strecke meinem Spiegelbild die Hand hin – und eine Hand streckt sich mir entschlossen entgegen.
»Du bist schon immer der letzte Revolvermann in dieser Welt gewesen«, tröste ich mein Spiegelbild. »Deshalb hatte ich immer etwas für dich übrig.«
Der Revolvermann kriegt keine knalligen Haare, ich tausche seine Jeans nicht gegen Samthosen, die rissige Lederjacke nicht gegen einen gepflegten Pelz aus.
Ich bin der Revolvermann.
Ich überprüfe den Revolver. Das Magazin ist noch das alte, aber ich will mich mit Crazy Tosser ja auch nicht duellieren, sondern Frieden mit ihm schließen.
Ich will das Zimmer verlassen und reiße die Tür auf. Beim Abschließen behalte ich aus den Augenwinkeln heraus den Gang im Blick. Doch die Zeit der Überraschungen ist offenbar vorüber.
Sobald ich das Hotel verlassen habe, halte ich ein Taxi an.
Was für ein komisches Gefühl, wieder in dem alten Körper zu stecken – und jene Adresse zu nennen.
»Labyrinth des Todes«, teile ich dem Fahrer mit. Im letzten Moment kapiere ich, dass das missverständlich ist. »Zur Verwaltung«, präzisiere ich.
Die Fahrt dauert nicht lang. Das Labyrinth hat gute Rechner, und zur Verwaltung dürfte es nicht allzu viele Besucher ziehen.
Mit einer gewissen Sorge registriere ich das gelbe Licht auf meiner Kreditkarte, als ich bezahle: Ich habe weniger als fünfzig Dollar Guthaben.
Wie wollte ich eigentlich in den Kampf ziehen, wenn ich mir nicht mal Patronen kaufen kann?
Das Haus, eine einstöckige Villa mit Putz aus Muschelkalk, hat sich nicht verändert. Solide Firmen stellen Stabilität manchmal ja durchaus über Prunk. Nur der Objektschützer am Eingang ist mit einer hochmodernen Waffe ausgerüstet, einem Zwitter aus einer Harpune und einer futuristischen Scheuerbürste.
Doch darüber muss ich mir wohl nicht den Kopf zerbrechen.
Im Foyer finden sich drei Schalter. Vor einem Tisch steht eine junge Frau und redet mit leiser Stimme auf die Angestellte dahinter ein. Die beiden anderen Plätze sind frei. Natürlich erwarten mich zwei lächelnde junge Frauen, eine Blondine und eine Brünette.
Mir sollen beide recht sein.
»Hallo«, sage ich. »Ich möchte zu Richard.«
»Richard?« Da ich nicht an einen der Tische herantrete, verständigen sich die beiden Frauen durch Blicke und treffen ihre Entscheidung selbst. Ich kriege die Blondine.
»Zu Ihrem Mitarbeiter Richard.«
»Richard?« Die Frau runzelt kaum merklich die Stirn. »Meinen Sie vielleicht Richard Parker?«
»Wahrscheinlich.«
Ob nun Parker, Zippo oder Ronson …
»Wen darf ich melden?«
»Leonid.«
»Wenn Sie sich bitte hier eintragen wollen …«
Während die Frau jemanden über das hausinterne Telefon informiert, trage ich meine Daten in ein Blankoformular ein.
Ich habe eine Anfrage auf Identifizierung erhalten, flüstert mir die unsichtbare Vika zu. Soll ich den Zugang zu den Systeminformationen freigeben?
»Ja«, sage ich.
Mein Windows Home ist auf den Namen User von einer Firma namens Firma registriert.
Mit dieser Information sollte ich zwar nicht hausieren gehen – aber diesmal bin ich bereit, sie zu opfern.
»Folgen Sie dem Signal«, wendet sich die Blondine an mich und lächelt. Sie hat die Anweisung erhalten, mich durchzulassen.
In der Luft leuchtet ein rosafarbenes Licht auf, das zu einer der Türen schwebt. Ich nicke der Sekretärin zu und folge dem
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