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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Signal.
    Der Gang ist kurz, die Schilder neben den Türen lassen mich nicht unbeeindruckt. Das gilt vor allem für das gesuchte Zimmer.
    Richard Parker.
    Äußere Sicherheit.
    Ich öffne die Tür und trete ein.
    Hoppla! Ich bin nicht der Einzige, der in seinen alten Körper geschlüpft ist.
    Denn Crazy Tosser steckt in dem Avatar, das ich von Diver-Treffen kenne.
    Ein dicklicher, älterer Mann mit spärlichem, sorgfältig geschnittenem Haar, im Anzug und mit Krawatte. Fast schon spießig.
    Gespannt warte ich ab, was er sagen wird. Präsentiert er mir jetzt die offene Rechnung?
    »Ljonka, du alter Gauner!«, begrüßt mich Crazy erfreut. Er springt mit einer Behändigkeit hinterm Tisch hervor, die nur in der Tiefe möglich ist. »Du hast dich überhaupt nicht verändert!«
    Selbst als ich ihm die Hand drücke, rechne ich noch mit einem miesen Zug. Irgendeinem.
    Und erst als ich mit einem Glas Whiskey im Sessel sitze, verflüchtigen sich die letzten Zweifel: Crazy freut sich wirklich darüber, mich zu sehen.
    »Wo hast du denn bloß gesteckt?«, will Crazy wissen. Er ist Kanadier und spricht entweder mit einem nahezu perfekten Übersetzungsprogramm – oder er hat ordentlich Russisch gepaukt. Früher hat er nämlich ganz gut Russisch gesprochen, allerdings mit deutlichem Akzent. Der fehlt jetzt völlig. »Ich habe überall nach dir gesucht … und dir ganze vierundzwanzig Mails geschickt.«
    »Ich habe meinen Pager lange nicht gecheckt.«
    »Warum nicht?«, fragt Crazy erstaunt.
    »Warum hätte ich das tun sollen?«, antworte ich mit einer Gegenfrage. Dann hebe ich das Glas. »Auf unser Wiedersehen!«
    »Nur zu gern!«, erwidert Crazy. »Wie schlägst du dich durch?«
    »Geht so.«
    »Hast du irgendein Geschäft aufgezogen?«
    »Nein.« Ich sehe keinen Sinn darin, mich in besserem Licht erscheinen zu lassen.
    »Ist nicht wahr!« Mit Crazy Tosser scheint eine Veränderung vorzugehen, nicht äußerlich, sondern in seinem Verhalten, in seiner Intonation. Jetzt ist er wirklich Richard Parker, der leitende Mitarbeiter im Labyrinth des Todes. »Ich habe dir sogar mal ein Angebot geschickt, bei uns anzufangen.«
    »Als was?«
    »Als Leiter der Abteilung für innere Sicherheit.« Dick lächelt. »Du weißt, was das heißt?«
    »Ehrlich gesagt, nein«, gebe ich zu.
    »Okay.« Dick seufzt. »Vor zwei Jahren hast du einen sehr schönen Durchmarsch durchs Labyrinth hingelegt. Heute sind wir natürlich nicht mehr an Divern als Rettern interessiert, das brauche ich dir nicht zu erklären. Aber an Leadern.«
    Crazy legt eine Pause ein, aber ich weiß immer noch nicht, worauf er hinauswill.
    »Jedes Spiel muss einen klar definierten Leader haben. Ein Idol. Jemand, der Kult ist. Er darf nicht ständig auftauchen, denn dann würden alle anderen Minderwertigkeitskomplexe bekommen. Aber hin und wieder … da sollte er sich zeigen und sozusagen mit gutem Beispiel vorangehen.«
    »Und für diese Rolle schwebt dir der Revolvermann vor?«, frage ich.
    »Ja. Schließlich ist er zu einer Legende im Labyrinth geworden! Wie sieht’s aus? Könnte dich der Job reizen?«
    Ich zucke die Achseln. Es wäre eine Arbeit wie jede andere auch. Einigermaßen interessant, nicht dreckig – und vermutlich besser bezahlt als das Herumschleppen gezeichneter Klaviere.
    »Ich denke schon«, sage ich.
    »Noch ist es nicht zu spät!«, ruft Dick aus. »Gut … es ist viel Zeit ins Land gegangen. Aber wenn du zwei-, dreimal durchs Labyrinth gehst und …«
    »Da hat sich doch bestimmt alles geändert.«
    »Was dachtest du denn! Aber du könntest trainieren …«
    »Crazy, ich bin eigentlich nicht wegen eines Jobs hier …«
    »Okay.« Dick setzt sich in seinen Sessel zurück und nickt. »Dann rück mal raus mit der Sprache. Auf mein Angebot können wir ja vielleicht nachher noch zurückkommen.«
    »Du bist wirklich nicht sauer auf mich?«, frage ich vorsichtshalber. »Wegen … dieses Unfalls.«
    »Welcher Unfall? Ach, du meinst die Geschichte mit dem Warlock. « Crazy grinst. »Unmittelbar danach war ich stinkwütend auf dich. Aber jetzt trage ich dir die Sache nicht mehr nach.«
    »Dann bin ich ja beruhigt«, sage ich erleichtert. »Also, es geht um Folgendes.«
    Crazy Tosser ist jetzt ganz Ohr.
    »Du erinnerst dich doch noch an den Diver-in-der- Tiefe -Tempel? «
    »Wer könnte den vergessen haben?« Richard wird ernst. »Hast du von Anfang an abgelehnt, an seinem Bau mitzuwirken?«
    »Ja.« Ich meide seinen Blick.
    »Hochachtung!«, sagt Dick. »Eine kluge

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