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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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oder versucht, sie zu ignorieren. Aber auch das hat nichts geändert. Deeptown ist nur weiter gewachsen. Immer mehr Menschen sind in die virtuelle Welt gekommen, um hier zu arbeiten und ihre Freizeit zu verbringen. Und nun dürfte auch die Todesangst nichts mehr an der Existenz von Deeptown ändern. Nehme ich jedenfalls an. Das Einzige, was geschehen wird, ist, dass der ganze Dreck, der Teil des realen Lebens ist, in die Tiefe importiert wird. Deeptown kriegt eine echte Regierung, eine echte Polizei, eine echte Armee – und echte Beerdigungen.«
    »Wie viel Zeit bleibt uns noch?«, fragt Maniac.
    »Das hängt davon ab, ob der Feind die geklauten Dateien sucht.«
    Ich merke nicht einmal, wie leicht mir das Wort »Feind« über die Lippen kommt.
    Ein Wort, das früher in Deeptown letztlich nur im Scherz Verwendung fand.
    »Wie schnell kann man das Labyrinth des Todes durchlaufen? « Schurka scheint sich vor allem in die Frage, wie viel Zeit uns bleibt, verbissen zu haben.
    »Crazy Tosser behauptet, es dauert ein paar Monate, bestenfalls einen Monat. Ich glaube …«
    Abermals sehen mich alle an, Pat sogar mit offenem Mund.
    »Ich glaube, uns bleiben noch zwei, drei Tage.«
    Obwohl ich mit allgemeinem Gelächter rechne, lacht niemand.
    »Ich habe lange nicht mehr gespielt«, presst Dschingis heraus. »Früher aber … Du erinnerst dich, Schurka?«
    Maniac kaut auf der Unterlippe herum, Dschingis’ Frage hat er offenbar völlig überhört. »Also … ich muss etwas essen, ausschlafen
und meinen Rechner neu einrichten. Lasst uns in acht bis zehn Stunden wiedertreffen, ja?«
    »Wollt ihr mich total verarschen?!«, brüllt Bastard. »Wir sollen die Welt retten – indem wir ein kreuzdämliches Spiel gewinnen?«
    »Kommt ja nicht auf die Idee, mich nicht ins Team zu nehmen! « Pat stürzt sich auf mich und packt mich bei der Jacke. »Echt nicht! Das würde euch am Ende nur selbst leidtun! Ich kenne das Labyrinth nämlich besser als ihr alle! Dschingis, sag es ihnen! Dsching!«
    Da fällt irgendwo in weiter Ferne eine Tür ins Schloss.
    Dschingis sieht Pat an und behält sein Lächeln noch kurz bei, ehe sein Gesicht einen seltsamen, alarmierten Ausdruck annimmt. »Leonid! Schurka! Habt ihr das auch gehört?«
    »Etwas hat geklappert. Die Tür, nehme ich an.« Maniac macht einen Schritt vom Fenster weg zur Wendeltreppe hin.
    »Dann war es also hier, in der virtuellen Welt«, sagt Dschingis.
    »Dschingis, wer kann dieses Haus betreten?«
    »Niemand außer mir, Pat und Bastard kennt das Passwort.« Dschingis zieht mit einer geschmeidigen Bewegung eine langläufige Pistole hinter seinem Rücken hervor. »Ansonsten gebe ich den Code an niemanden weiter.«
    »Ich habe ihn nicht verraten!«, versichert Pat.
    Oje.
    Aber ein Unglück kommt ja selten allein.
    Maniac schleicht in gebückter Haltung zur Wendeltreppe und zieht dabei ein kleines Taschenmesser.
    Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass er dieses harmlose Produkt der Firma Victorinox, das in der Tiefe als Werbegeschenk verteilt wird, manipuliert hat.
    Bastard hat sich inzwischen mit einer leeren Bierflasche bewaffnet. Wo kommt die denn her? Auf dem Boden stehen doch nur Fässer, keine Flaschen!
    Und die kurze Winchester, die Pat hastig zusammensetzt, indem er den Lauf auf den Kolben schraubt und gleichzeitig Patronen einlegt? Wo hatte er die versteckt?
    Ich selbst komme mir völlig nackt vor – ein Eindruck, der sich verflüchtigt, sobald ich die Pistole heraushole. O nein, Adam und Eva haben ihre Nacktheit vor Gott bestimmt nicht mit einem Feigenblatt bedeckt. Sie haben sich jeweils eine Keule geschnappt, und schon empfanden sie keine Scham mehr.
    »Ich würde dir raten, die Tiefe zu verlassen«, flüstert Dschingis. »Du bist der Einzige von uns, der dazu jederzeit imstande ist.«
    »Warum das?« Ich lasse die Wendeltreppe, hinter dessen Geländer sich Schurka versteckt hält, nicht aus den Augen.
    »Falls es zu einem Gemetzel kommt, gäbe es wenigstens einen Zeugen«, erwidert Dschingis. Dann stellt er sich schützend vor Pat.
    Er nimmt das wirklich ernst!
    Mich hat jedoch schon eine heiße Welle der Wut gepackt.
    »Ich bin der Revolvermann«, sage ich.
    Selbst in diesem Körper bin ich der Revolvermann. Und werde es auch immer sein.
    Wir stehen fast eine Minute reglos da. Warten. Dann richtet sich Maniac auf, späht noch einmal über das Geländer nach unten, zuckt die Schultern und sieht Dschingis fragend an.
    »Gehen wir runter«, entscheidet dieser.
    Er macht

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