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Der falsche Zeuge

Der falsche Zeuge

Titel: Der falsche Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blómkvist
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die Vorbereitungen für die Aktion im Parlament erzählen. Oder über seine Kameraden. Nur was er selber getan hat, als die Demonstration begann.
    »Ich habe das Band mit dem Slogan versteckt getragen.«
    »Wie hast du das gemacht?«
    »Ich habe mir erst das Band um den Bauch gewickelt und dann einen weiten Pulli darüber gezogen«, sagt er grinsend.
    »Diese Trottel vom Personal hatten nicht den leisesten Schimmer.«
    »Und dann?«
    »Als ich das Band abgewickelt hatte, haben wir damit den Feiglingen im Plenarsaal unter der Nase herumgewedelt und Kampfsprüche zu ihnen hinuntergebrüllt. Das war echt cool!«
    »Und dann ging die Schlägerei los?«
    »Die Polizei hat uns angegriffen!«, antwortet Ófeigur. »Wir haben nur unser Recht verteidigt, Einspruch zu erheben.«
    »Es ist illegal, auf der Besuchertribüne des Althing zu demonstrieren.«
    »Diese Gesetze gehen uns nichts an.«
    »Wenn man sich den Aufruhr in den Übertragungen der Fernsehsender anschaut, kann man sicherlich ganz genau erkennen, wer was getan hat. Deswegen wollen wir uns jetzt auf Salvör konzentrieren. Wann hast du sie zuerst wahrgenommen?«
    »Einfach nur ganz plötzlich, als sie auf einmal mitten im Handgemenge zwischen den Bullen und uns auftauchte. Ich habe nicht gesehen, wer sie zu mir geschubst hat, aber sie ist plötzlich in meinen Armen gelandet. Deshalb habe ich automatisch reagiert und sie wieder weggedrückt. Sie ist bei irgendeinem Bullen gelandet, aber wenn einer sie über das Geländer geworfen hat, dann war er es, nicht ich.«
    »Hast du gesehen, wie sie ins Handgemenge kam?«
    Er überlegt. Schüttelt dann den Kopf. »Nein, sie war einfach plötzlich da, und jemand hat sie zu mir geschubst. Ich weiß noch, dass sie mir so komisch im Gesicht vorkam.«
    »Inwiefern komisch?«
    »Na ja, sie war so starr im Gesicht, als wäre sie gefroren oder so, und die Augen waren weit aufgerissen und starr. Aber es ist natürlich alles so schnell gegangen, aber ich erinnere mich trotzdem, dass es mir vorkam, als ob sie einen schweren Schlag abgekriegt hätte oder sogar unter Schock oder so was stand.«
    »Hast du es bemerkt, bevor du sie wieder weggeschubst hast?«
    »Ja, kurz bevor sie auf mich geknallt ist.«
    »In Ordnung, vielleicht finden wir eine Erklärung auf den Videos. Aber was ist danach passiert?«
    »Da oben wimmelte es mittlerweile von Bullen, und weil wir unser Ziel erreicht hatten, kam nichts anderes in Frage, als ihnen zu erlauben, uns festzunehmen.«
    »War dir wirklich egal, was mit Salvör passiert ist?«
    »Ich habe gar nicht weiter an sie gedacht. Und dann wusste ich ja auch nicht, dass sie tot war, das wurde mir ja erst einen Tag später gesagt. Aber das war nicht ich, sondern die Polizei, wie ich dir vorhin schon gesagt habe.«
    »Wenn ihr nicht eine illegale Demonstration vom Zaun gebrochen hättet, wäre Salvör noch am Leben.«
    Er richtet sich in seinem Stuhl auf. »Es ist unsere Pflicht, gegen unmoralische Politiker, die das isländische Volk betrügen, zu demonstrieren!«, ruft er aufgebracht.
    »Unsere Pflicht? Wer seid denn ›ihr‹, beziehungsweise die, von denen du immer sprichst? Klär mich mal auf!«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Wann bist du bei SSÍ Mitglied geworden?«
    »Was ist das?«, fragt er. Ein Grinsen breitet sich wieder auf seinen Lippen aus.
    »Ich weiß über euren dämlichen Verein Bescheid«, sage ich herablassend. »Und auch über euren lächerlichen Anführer.«
    »Welcher Anführer?«
    »Audólfur Hreinsson.«
    »Er hat mir eine Stelle als Wachmann beschafft, das ist alles.«
    Ich fixiere Ófeigur schweigend. Bis er anfängt, auf dem Stuhl herumzurutschen.
    »Das Dümmste, was man in deiner Situation machen kann, ist, seinen Verteidiger anzulügen«, sage ich schließlich. »Du musst mir vertrauen. Sonst geht die Sache schlimm aus.«
    »Ich habe dir alles gesagt, was du wissen musst«, antwortet er. »Das Einzige, was ich gemacht habe, ist mein Recht auf Meinungsfreiheit zu nutzen, ein Recht, das eure so genannte Demokratie angeblich garantiert, und dafür haben mich die Bullen angegriffen. Deswegen sitze ich jetzt im Knast.«
    »Als unschuldiges Opfer, was?«
    »Ich bin ein politischer Gefangener, und du sollst mich als solchen verteidigen.«
    »Das glaubst du doch wohl selber nicht?«
    »Vielleicht war es falsch von mir, den Anwalt zu wechseln«, antwortet er, »aber ich kann es wahrscheinlich zu jeder Zeit rückgängig machen.«
    »Ich habe deiner Mutter versprochen, dir zu helfen, und das

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