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Der falsche Zeuge

Der falsche Zeuge

Titel: Der falsche Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blómkvist
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umgehend mit einer Ausgabe der isländischen Yellow-Press-Zeitung DV in der Hand zurück.
    »Das Foto ist da, auf Seite zwei.«
    Ich nehme die Zeitung. Schlage die erste Seite auf.
    Er hat genau in die Linse geguckt, als das Foto gemacht wurde. Seine eigensinnigen Augen starren mir aus der Seite der Zeitung entgegen:
    Ófeigur.

16
    Im Althing ist wenig los.
    Das Spurensicherungsteam der Goldjungs hat bereits den Teil des Plenarsaals untersucht, wo Salvör auf den Fußboden aufgeschlagen ist. Der Plenarsaal selbst ist immer noch gesperrt.
    Die Abgeordneten haben sich eine Woche von den gewöhnlichen Debatten freigenommen. Sie sollen wahrscheinlich stattdessen an der Ausschussarbeit teilnehmen. In anderen Räumlichkeiten des Althings.
    Ich gehe weiter die Treppe hoch.
    Die Besuchertribüne befindet sich an zwei Wänden hoch über dem Plenarsaal. Sie erinnert einen vor allen Dingen an billige Balkonplätze hoch oben in einem alten Theater. Die dunklen Holzbänke sehen ziemlich ungemütlich aus.
    Die Tribüne ist direkt von dem Treppenabsatz der Haupttreppe des Althinggebäudes zugänglich. Von dort aus führt die Treppe hinunter ins Erdgeschoss.
    Aber auch in den zweiten Stock unters Dach, wo die Journalisten ihre Arbeitszimmer haben. Das heißt, diejenigen, die für Radio- und Fernsehsender arbeiten. Wie es Salvör jahrelang getan hat.
    Vielleicht ist sie gerade die Treppe heruntergekommen? Auf ihrem letzten Weg?
    Nahe bei der Treppe, die unter das Dach führt, befindet sich eine Tür zu einem Besprechungsraum.
    Die Tür ist zu. Aber nicht abgeschlossen.
    Hatte die Journalistin vielleicht jemanden darin getroffen, kurz bevor sie starb? Und landete direkt im Sog der Menschenmenge zur Tribüne hin, als sie aus der Tür kam?
    Zwei Möglichkeiten. Aber ich habe keine Anhaltspunkte, welche wahrscheinlicher ist. Vielleicht auch keine der beiden.
    Spielt es eigentlich eine Rolle? Ich weiß es nicht. Aber aus irgendwelchen Gründen möchte ich versuchen, Salvörs Spuren an diesem verhängnisvollen Nachmittag zu rekonstruieren, um ein deutlicheres Bild davon zu bekommen, was sie in den letzten Stunden ihres Lebens getan hatte. Wer sie war. Wen sie traf. Und warum sie ausgerechnet zu dieser Zeit an diesem Ort landete. Nur um in den Tod zu stürzen.
    Dieses Wissen ändert wahrscheinlich nicht viel an der Schuld oder Unschuld meines Klienten. Trotzdem kann man ja nie wissen, was dabei herauskommt.
    Ich gehe bis zum Geländer. Beuge mich vorsichtig über die Balustrade. Schaue von oben in den Saal tief unter mir.
    Wahnsinn, was das für ein tiefer Fall ist!
    Mindestens einem Tisch der Abgeordneten sieht man den Aufprall an. Als Salvör mit dem Kopf voran an der Tischkante aufschlug. Die Blutflecken sind immer noch sichtbar. Sowohl auf dem Tisch als auch auf dem Fußboden.
    »Uff!«
    »Furchtbar, findest du nicht? Ich bekomme immer noch jedes Mal Gänsehaut, wenn ich in den Plenarsaal gucke.«
    Ich drehe mich schnell um.
    Es ist Vigdís. Die junge Abgeordnete, die sich in der Fernsehdebatte über die Privatisierung der Energiewerke so herzhaft mit Angantýr angelegt hatte.
    Wir sind verabredet.
    Sie ist klein, dunkelhaarig, mit graublauen Augen.
    »Gleich im Nachbarhaus ist mein Büro, da können wir uns ungestört unterhalten«, sagt sie und geht zurück zur Treppe, ohne meine Reaktion abzuwarten.
    Vigdís geht rasch vor mir her die breite, mit Teppich ausgelegte Treppe hinunter, hinaus auf den asphaltierten Bürgersteig, an einem nahe gelegenen Gebäude entlang, geflieste Treppen hinauf und im ersten Stock bis ans Ende eines langen Flures.
    Sie schaut sich nie nach mir um. Ist sich völlig sicher, dass ich ihr folge.
    Im Büro bietet sie mir einen Platz auf einem roten Sofa an. Schließt die Tür. Setzt sich selber an einen hellbraunen Computertisch. Und fragt ohne lange Vorreden: »Was möchtest du wissen?«
    Das ist eine Frau, die weiß, was sie will. Und sofort zur Sache kommt. Ich finde sie gleich sympathisch.
    »Das, was du in der Diskussionsrunde im Fernsehen über Salvör gesagt hast, hat mein Interesse geweckt«, antworte ich.
    »Dass sie Reportagen über Korruptionsfälle bei Bushron gemacht hat. Hat sie in dem Zusammenhang nach etwas Speziellem gefahndet?«
    »Ich glaube, dass sie dem isländischen Zweig des Skandals auf der Spur war«, antwortet Vigdís. »Sie hatte den Verdacht, dass Bushron sich hier im Land genauso verhalten hat wie anderswo, das heißt, dass sie Leuten in Schlüsselpositionen Geldgeschenke gemacht

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