Der falsche Zeuge
vermutlich darauf, dass er dafür etwas bei mir gut hat.
Soll er das doch meinetwegen glauben.
Siggi Palli ist sichtlich nervös, dass er zum dritten Mal bei den Goldjungs erscheinen muss.
»Wenn du etwas in deinen vorigen Aussagen ändern möchtest, besprichst du das erst mit mir«, sage ich zu ihm, während wir noch alleine im Vernehmungszimmer sind. »Du hast ein Recht darauf, bei mir Rat zu suchen, bevor du ihre Fragen beantwortest.«
Er nickt und holt einmal tief Luft, als ob er in ein Schwimmbecken springen wollte.
Valgeir bringt noch jemanden mit.
Sigthrúdur ist mittleren Alters. Und eindeutig sehr erfahren, was Verhöre angeht. Sie versucht von Anfang an, Siggi Palli mit der psychologischen Tour zu kriegen. Fixiert ihn mit deutlicher Verachtung.
»Wir nehmen dieses Verhör auf Band auf«, sagt Valgeir. Und beginnt zu fragen, sobald die Formalitäten abgehakt sind.
Sie gehen alles noch mal minutiös durch. Von dem Zeitpunkt an, als Siggi Palli gemäß seiner Aussage zum ersten Mal mit Maria geschlafen hat. Bis er die Beziehung zu ihr beendet hat.
Er hält sich an die zweite Version seiner Aussage. Gibt Ort und Zeit der Rendezvous an. Sowohl vor als auch nach dem ersten Sommertag. Beschreibt eher schüchtern, was sie jedes Mal gemacht haben.
An Sigthrúdurs Fragen ist eindeutig zu erkennen, dass Maria an ihrer Vergewaltigungsklage festhält.
Die Goldjungs scheinen davon auszugehen, dass Siggi Pallis Beschreibung von einer monatelangen Beziehung erfunden ist. Valgeir versucht, so gut er kann, Siggi Pallis Aussage auseinander zu nehmen. Greift ihn an wegen der Lügen, die er ihnen am Anfang aufgetischt hat, als er abgestritten hatte, mit Maria überhaupt Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Versucht auch, kleine Ungereimtheiten in seiner zweiten Aussage aufzustöbern.
Aber es gelingt ihm nicht. Siggi Palli hält an seinem Text fest.
Entweder sagt er die Wahrheit. Oder er hat unglaublich gut geübt. Wie ein brillanter Schauspieler.
»Das ist dann vermutlich das letzte Verhör?«, frage ich, als Valgeir das Aufnahmegerät hat ausschalten lassen.
»Für diese Runde ja«, antwortet Valgeir. »Der Fall wird bald an den Staatsanwalt weitergereicht. Er trifft die Entscheidung, wie es weitergeht.«
»Hab ich das richtig gemacht?«, fragt Siggi Palli, kaum dass wir draußen sind.
»Sie haben zumindest keine neue Angriffsfläche finden können.«
»Wird die Anzeige dann nicht abgeschmettert?«
»Zu diesem Zeitpunkt solltest du jedenfalls noch nicht damit rechnen«, antworte ich. »Wenn der Staatsanwalt Maria eher glaubt als dir, erstellt er bestimmt eine Anklageschrift.«
»Das musst du verhindern!«, sagt er aufgebracht. »Wenn ich öffentlich angeklagt werde, geht mein Leben vor die Hunde, meine Arbeit, meine Ehe, alles. Auch wenn ich später freigesprochen werden sollte, ändert das nichts, es geht trotzdem alles den Bach runter.«
»Das ist jetzt nicht der richtige Moment, um nervös zu werden.«
»Ich verstehe einfach nicht, wie Maria mir so was antun kann.«
Ich nehme ihn am Arm. Drehe ihn zu mir hin. »Du sagst doch die Wahrheit, oder?«, frage ich und gucke ihm scharf in die Augen.
»Hundertprozentig«, antwortet er, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Was willst du tun, um mich vollständig davon zu überzeugen?«
Die Frage überrascht ihn. »Glaubst du auch, dass ich lüge?«, fragt er.
»Was willst du tun?«
»Egal was.«
»Dann sag mir, wem Icelandic Energy Advisors gehört.«
Siggi Palli erbleicht. Zwinkert mit den Augen. »Was ist das?«, fragt er. Seine Stimme zittert vor unterdrückter Aufregung.
Verdammter Fuchs.
Wie kommt er darauf, er könne mir etwas vormachen?
Er, der noch nicht einmal seine Stimme unter Kontrolle hat?
»Lügen ist eine Kunst.«
Sagt Mama.
19
Das einzige Geräusch, das wir im weiß gestrichenen Krankenzimmer hören, ist der mechanische Atemzug der computergesteuerten Maschinen, die Ruta am Leben erhalten.
Ludmilla und Sergei stehen dicht am Bett. Er hat seinen linken Arm leicht über ihre Schultern gelegt. Wie ein Vater. Oder älterer Bruder.
Die Weißgekleideten warten auf der anderen Seite des Bettes. Der junge Arzt und sein älterer Kollege. Ein Mann, den ich hier bisher noch nicht gesehen habe. Der Ältere guckt ab und zu zu Ludmilla herüber.
Sie hält Rutas Hand ganz fest in ihrer. Starrt mit feuchten Augen auf ihr bleiches Gesicht. Ohne ein Wort zu sagen. Und bemerkt die Blicke des Arztes nicht.
Schließlich räuspert er sich
Weitere Kostenlose Bücher