Der falsche Zeuge
Dieses Mal musst du meinem Urteilsvermögen vertrauen.«
Raggi grummelt etwas, während er wieder weitergeht.
»Liebe Stella, wie kommst du darauf, dass dein Wort alleine genügt, um meine Vorgesetzten zu überzeugen?«, fragt er schließlich.
»Wenn sie sich dafür entscheiden, mir nicht zu vertrauen, dann ist es ihre Sache«, antworte ich kalt. »Aber sie müssen dann auch verantworten, dass eine ungeheure Menge Rauschgift unnötigerweise in Umlauf gebracht wird.«
»Wieviel?«
»In dieser Sendung sind einige zig Kilo.«
»Welche Sorten?«
»Hauptsächlich Koks und Speed, aber auch etwas Hasch.«
»Einige zig Kilo?«, wiederholt Raggi. »Bist du ganz sicher?«
»Ich habe keine genauen Zahlen, aber mir wurde gesagt, dass der Verkaufswert des Stoffs auf der Straße um die hundert Millionen ist.«
»Und dieses ganze Rauschgift soll in den nächsten Tagen ins Land kommen?«
Ich packe Raggi am Arm. »Da interpretierst du die Lage aber ganz schön falsch«, antworte ich. »Ihr habt das Rauschgift an der Grenze nicht gefunden, es ist schon im Land.«
»Was sagst du da?«
»Ich gebe euch eine zweite Chance, zu verhindern, dass das Ganze in den nächsten Tagen und Wochen auf den Markt kommt.«
Er schaut über den Steinwall hinaus auf die Bucht. Tief in Gedanken versunken.
Ich werfe schnell einen Blick nach links und rechts. Niemand ist am Strand unterwegs. Außer uns. Und den vielen kreischenden Vögeln, die flach über der Meeresoberfläche kreisen.
Schließlich geht Raggi weiter. »Das ist eine ungeheure Menge«, sagt er.
»Mein Informant hat mir gesagt, dass die Käufer auf einen Gewinn von sechzig bis siebzig Mille hoffen. Netto. Und das nur von dieser einen Sendung.«
»Von welchen Leuten sprichst du?«
»Ich kann dir ihre Namen nicht nennen.«
Raggi dreht sich zu mir hin: »Weißt du etwa, um wen es sich handelt?«
Ich nicke.
»Und du bist hundertprozentig davon überzeugt, dass man diesem Informanten trauen kann?«
»Ja.«
»Und du zweifelst nicht im Geringsten?«
»Nein.«
»Hat der Informant selber etwas mit der Einfuhr des Rauschgiftes zu tun?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Was will er dafür bekommen, dass er die Sache verrät?«
»Nichts von euch.«
»Das ist merkwürdig. Warum will er dann seine Informationen zur Polizei durchsickern lassen?«
»Er hat seine ganz persönlichen Gründe.«
Raggi bleibt plötzlich stehen.
Nach einer guten Weile Schweigen gehen wir wieder zu den Autos zurück.
»Es ist nie einfach, einen Polizeieinsatz dieser Art zu planen«, sagt er, »und dann auch noch kurzfristig und ohne zu wissen, wo die Übergabe stattfinden soll.«
»So muss es aber diesmal sein«, sage ich. »Rechnet einfach mit dem Schlimmsten und Schwierigsten.«
»Du machst dir ja keine Vorstellung davon, wie viel so ein Einsatz die Polizei kosten wird.«
»Ich weiß nur, dass es als Gewinn den Jackpot gibt.«
»|a, wenn du Recht hast«, antwortet Raggi und guckt mir wieder in die Augen. »Ich gehe ein enormes Risiko ein, wenn ich deiner Einschätzung vertrauen würde, was diesen anonymen V-Mann angeht. Was, wenn er dich reinlegt?«
Ich bleibe standhaft. »Das tut er nicht«, antworte ich bestimmt.
»Du verstehst hoffentlich, dass das eine Sache ist, die ich nicht alleine entscheide«, sagt er und öffnet das Auto mit der Fernbedienung. »Ich rufe dich bis heute Abend an.«
Ich schaue ihm hinterher, bis das Auto hinter den moosbewachsenen Lavaformationen im Inneren der Landzunge verschwindet.
Ich weiß, dass ich viel aufs Spiel gesetzt habe. Aber jetzt gibt’s kein Zurück mehr. »Niemand kommt über abgebrannte Brücken.«
Sagt Mama.
31
Jódís trägt ein königsblaues Kostüm. Es steht ihr gut. Wahrscheinlich sieht sie in allen Klamotten umwerfend aus, egal, was sie anhat.
Ich hatte allerdings nicht erwartet, sie so schnell wiederzusehen. Bei unserem ersten Treffen hatte sie so wenig Verständnis für mein Anliegen. Um nicht zu sagen, dass ihre Reaktionen auf meine Fragen von disziplinierter Feindseligkeit geprägt waren.
Ihr Anruf am Nachmittag kam daher völlig überraschend.
»Ich möchte dich besser kennen lernen«, sagte sie geradeheraus. »Möchtest du nicht heute Abend bei mir vorbeikommen?«
Eine unerwartete Einladung. Eines dieser Angebote, die man nicht ablehnen kann.
Sie schien Erkundigungen über meine Trinkgewohnheiten eingeholt zu haben. Jedenfalls bietet sie mir einen teerschwarzen Espresso an. Und amerikanisches Feuerwasser pur. In einem Cognacglas
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