Der falsche Zeuge
hinaus auf den Parkplatz. Blätterte das Buch durch, sobald ich mich hinter das Steuer geklemmt hatte.
Zwei Zettel lagen in der Mitte. Wie Ludmilla und ich es ausgemacht hatten.
Eine Kopie von einer Karte.
Und ein kleiner Zettel mit vier Zahlen darauf: 00.30.
Drei Stunden Vorbereitungszeit. Das musste reichen.
Ich rief sofort Raggi an. Bevor ich selber zur Kripo fuhr. Sie warteten auf mich im Konferenzraum im obersten Stockwerk. Zu dritt.
Der Vize der Goldjungs machte einen Versuch zu lächeln. Es fiel ihm wirklich schwer. Der Gute. Wir sind schon so oft richtig kräftig aneinander geraten. Haben uns gegenseitig die Suppe versalzen.
Den dritten habe ich noch nie gesehen. Er stand kerzengerade am Fenster. Groß und muskelbepackt. Machomäßiger Kerl, obwohl er bestimmt schon an die fünfzig ist. Sieht nach Liebhaber aus. Und weiß um seine Wirkung.
Der Vize stellte uns vor. »Hermundur leitet die Operation vor Ort«, sagte er. »Wann findet die Übergabe statt?«
»Heute Nacht um halb eins.«
»Wo?«, fragte Hermundur. Seine Bassstimme war tief und voll.
Ich lächelte nett. »Zuerst müssen wir uns noch über zwei Punkte einig werden«, sagte ich.
Sie machten ein Gesicht, als wehte ihnen ein nasskalter Wind ins Gesicht.
»Was ist denn jetzt noch?«, schimpfte der Vize.
»Erstens bin ich mit dabei.«
»Wo dabei?«, fragte Hermundur.
»Zweitens muss klar sein, dass das Ziel der Aktion ist, den Drahtzieher festzunehmen. Diese Operation misslingt, wenn ihr versucht, nur unwichtige Laufburschen und Kuriere einzufangen.«
»Und wer ist also dein vermeintlicher Drahtzieher?«, fragte Raggi.
»Stimmt ihr zu?«
»Wie kommst du darauf, dass einfache Bürger an einer so gefährlichen Polizeiaktion dieser Art teilnehmen könnten?«, fragte Hermundur.
»Ich bin es gewöhnt, auf eigene Verantwortung zu handeln.«
Die beiden guckten den Vize an.
Er fällte erstaunlich schnell eine Entscheidung. »Es ist auch in unserem Sinne, den Kopf der Bande festzunehmen, also ist das ein Ziel, über das wir nicht diskutieren müssen«, sagte er.
»Ich gebe dir die Erlaubnis, bei Hermundurs Mannschaft dabei zu sein, wenn du schriftlich bestätigst, dass du selbst alle Verantwortung für das übernimmst, was dir während der Operation zustoßen könnte.«
»Einverstanden«, antwortete ich und legte die Kopie der Karte auf den Tisch. »Der Ort ist besonders gekennzeichnet.«
»Daudadalir«, las Raggi laut vor. »Das ist ein wenig südlich des Helgafell, am Bláfjallavegur.«
»Und wen jagen wir?«, fragte Hermundur.
»Audólfur Hreinsson.«
Sie warfen sich schnelle Blicke zu. Dann mir.
»Das kann nicht sein«, sagte Raggi. »Audólfur hat sich noch nie in der Nähe solcher Verbrechen bewegt.«
»Sein Onkel Porno-Valdi steckt in tiefsten Finanzschwierigkeiten«, antwortete ich. »Ihm ist alles zuzutrauen.«
»Wir dürfen nichts ausschließen«, ermahnte der Vize. »Aber bist du vollkommen sicher, dass er der Mann ist, der hinter dieser Einfuhr steckt?«
»Er ist der Käufer. Es würde mich allerdings nicht überraschen, wenn Audólfur einen oder mehrere schicken würde, um das Rauschgift abzuholen. Er ist einfach zu feige, um selber loszuziehen. Deshalb müssen die Stellen bewacht werden, an denen er wahrscheinlich auf den Kurier wartet.«
Nach ein paar schnellen Wortwechseln zählte Hermundur die Häuser auf, die die Goldjungs für am wahrscheinlichsten halten: »Seine Wohnung, sein Büro bei der Eigentumsüberwachung, Eldóradó. Haben wir alles?«
»Das Ferienhaus in Thingvellir nicht zu vergessen.«
»Was für ein Ferienhaus?«
Ich berichtete ihnen, was ich über das Ferienhaus von Audólfur Kormáksson wusste.
Dann setzten sie alle Hebel in Bewegung.
Etwa eine Stunde später reichte Raggi mir einen warmen dunklen Overall und robuste Thermotreter. »Zieh dir das über«, sagte er. »Ihr fahrt in einer Viertelstunde.«
Ich folgte Hermundur in einen braunen Jeep ohne Polizeibeschriftung. Einer der Goldjungs saß hinter dem Steuer.
Der Regen holte uns auf der Reykjanesbraut ein. Dunkelgraue Regenwolken zogen im Westen über die Bláfjöll.
Auf dem Weg zum Helgafell löste ein Rollsplittweg den Asphalt ab. Und schließlich ein Schotterpfad, der durch das zerfurchte Lavafeld führt. Südlich des heiligen Berges, wie der Helgafell wörtlich heißt, parkte der Fahrer den Jeep.
»Folg uns!«, sagte Hermundur.
Er kletterte behände eine steinige Lavaspalte hinauf. Sein Mitarbeiter folgte ihm.
Einige Minuten
Weitere Kostenlose Bücher