Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man
Sie ihm nicht«, rief Amelia ihrem Kollegen keuchend zu.
»Keine Angst, Sachs.«
Der Mann zog fester, woraufhin Füße und dann Beine in beigefarbenen Hosen aus dem Wasser auftauchten, gefolgt von einem weiblichen Körper. Sie war mit einer Kette umwickelt. O mein Gott, die arme Frau!, dachte Sachs. Bitte lass sie noch am Leben sein.
Sie waren fast da. Bell forderte über Funk Verstärkung und einen Krankenwagen an. Auf der Ostseite der Fußgängerbrücke blieben immer mehr Passanten stehen und verfolgten neugierig, was dort unten vor sich ging.
»Helfen Sie mir! Ich kann sie nicht allein hochziehen!«, rief der Retter Bell und Sachs zu. Vor lauter Anstrengung kamen ihm die Worte nur keuchend über die Lippen. »Dieser Mann, er hat sie festgebunden und ins Wasser gestoßen. Er wollte sie umbringen!«
Sachs zog ihre Waffe und richtete sie auf den Fremden.
»He, was machen Sie da?«, fragte er erschrocken. »Ich versuche, die Frau zu retten!« Er sah auf das Mobiltelefon an seinem Gürtel. »
Ich
bin derjenige, der die Polizei verständigt hat.«
Sie konnte seine linke Hand noch immer nicht erkennen; er hielt sie mit der Rechten umschlossen.
»Lassen Sie das Seil nicht los, Sir«, sagte Sachs. »Ich will Ihre Hände sehen.«
»Ich hab nichts getan!« Er atmete merkwürdig pfeifend. Vielleicht litt er an Asthma.
Bell achtete darauf, nicht in Amelias Schusslinie zu laufen, packte den Ausleger und schwang ihn in Richtung des schlammigen Ufers. Als die Frau in Reichweite kam, zog er sie zu sich heran, und der Fremde ließ langsam das Seil durch seine Hände gleiten, bis sie am Boden lag. Sie regte sich nicht, und ihr Gesicht war blau angelaufen. Der Detective zog ihr den Klebestreifen vom Mund, löste das Seil von den Ketten und fing mit der Wiederbelebung an.
»Ist jemand von Ihnen Arzt?«, rief Sachs dem Dutzend Schaulustiger zu.
Niemand meldete sich. Sie blickte zurück zu dem Opfer und sah, dass es sich bewegte… Dann fing die Frau an zu würgen und spuckte Wasser. Ja! Sie hatten sie rechtzeitig erreicht. Noch eine Minute – und Cheryl Marston würde die Identität des Mannes bestätigen können. Dann bemerkte Sachs jenseits des Schauplatzes ein Stück glänzenden dunkelblauen Stoff, anscheinend mit Reißverschluss und Ärmeln. War das die Windjacke, die der Täter abgelegt hatte?
Der Fremde folgte ihrem Blick und sah den Gegenstand ebenfalls.
Gab es eine Reaktion bei ihm, ein leichtes Zucken? Sachs hatte den Eindruck, aber sie war sich nicht sicher.
»Sir«, sagte sie mit fester Stimme, »bis zur Klärung des Sachverhalts muss ich Ihnen leider Handschellen anlegen. Bitte strecken Sie…«
»He, Lady, Achtung!«, rief plötzlich jemand voller Panik. »Der Jogger – da, rechts! Er hat ’ne Kanone!«
Die Leute schrien und ließen sich zu Boden fallen. Sachs ging blitzschnell in die Knie, wirbelte nach rechts und suchte den Angreifer. »Roland, aufpassen!«
Bell hatte neben dem Opfer seine SIG in Anschlag genommen und sah in die gleiche Richtung wie Sachs.
Aber Amelia konnte niemanden in einem Jogginganzug entdecken.
O nein, dachte sie. Nein! Sie war wütend auf sich selbst und begriff, was gerade geschehen war – er hatte die Stimme selbst nachgemacht. Ein Bauchredner.
Als sie sich umwandte, blitzte in der Hand des Retters ein gleißender Feuerball auf, blieb in der Luft schweben und blendete sie.
»Amelia!«, rief Bell. »Ich kann nichts sehen! Wo ist er?«
»Keine Ah…«
Aus Richtung des Hexers peitschten mehrere schnelle Schüsse auf. Die Schaulustigen flohen in Panik, und Sachs visierte die Richtung an, aus der das Geräusch kam. Bell tat es ihr gleich. Mit zusammengekniffenen Augen suchten sie nach einem Ziel, doch als sie wieder alles erkennen konnten, war der Mörder nicht mehr da. Ihre Waffen zielten auf ein paar dünne Rauchschwaden – die Überreste der gezündeten Knallkörper.
Dann erblickte Sachs den Hexer in östlicher Richtung auf der anderen Seite des Parkway. Er wollte die Straße hinunterlaufen, sah aber einen Streifenwagen mit Blaulicht und heulender Sirene auf sich zukommen, also sprang er die breiten Stufen zum College hinauf und verschwand im Gedränge des Kunstgewerbemarkts wie eine Mokassinschlange im hohen Gras.
…Siebzehn
Sie waren überall…
Dutzende von Polizisten.
Und alle suchten nach ihm.
Durch den Sprint war er völlig außer Atem, seine Lunge schmerzte, und das Seitenstechen brachte ihn fast um. Erschöpft lehnte Malerick sich gegen die kühle
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