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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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der eigens zu diesem Zweck angelegten Allee kombiniert. Bei alten Männern regt diese Methode wieder den Appetit auf die Freuden des Lebens an, den Damen schenkt sie Jugend und Schönheit. Vor Gicht rettet sie leider nicht. Ich habe zwei Eimer davon ausgetrunken und bin den gottverfluchten Weg Gott weiß wie viele Stunden hin und her gehumpelt, aber wie Ihr seht, gehe ich nach wie vor am Stock. Das einfache Volk glotzt, wie die Herrschaften ohne Sinn und Verstand die Allee rauf- und runterspazieren, und spottet. Sie haben sogar schon neue Worte erfunden: › lodern ‹ und › lodernieren ‹ . Wie findet Ihr das?«
    Vondorin lächelte etwas gezwungen.
    »Ich sehe, Moskau hat sich stark verändert. Vor zwei Jahren, als ich es verließ, hockten alle zu Hause und mieden Menschenansammlungen.«
    »Ja, das stimmt«, sagte der Fürst mit aufeinander gepressten Lippen und gerunzelter Stirn; David Petrowitsch konnte also auch ernst sein. »Ich verstehe, worauf Ihr anspielt. Ich kann mich noch an Eure Geschichte erinnern. Ich hatte Mitgefühl mit Euch und war empört. Aber wie hätte ich gegen Osorowski vorgehen können? Ich bin ja nur Gouverneur. Während er in seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber und General en chef Maslow höchstpersönlich hinter sich hatte. Ich bin nun mal in dieser Lage, dass ich einem Mann niedriger Gesinnung, der Aufklärung und Edelmut verfolgt, dienen muss. Nein, liebster Daniel Ilarionowitsch, Gold und Rosenbüsche gibt es in der Moskauer Flora leider nicht mehr. Verstand und Philanthropie sind jetzt nicht gefragt, alle denken nur an ihr körperliches Wohlergehen. Wenn es überhaupt noch Eiferer für das Allgemeinwohl gibt, so haben sie die Lehre aus Eurer Geschichte gezogen, wahren Schweigen und agieren im Stillen, ohne an die Öffentlichkeit zu treten. Wenn etwas an die Öffentlichkeit dringt, wird es gefährlich.«
    »Das stimmt allerdings«, sagte Vondorin. »Aber, wenn wir schon von der Öffentlichkeit sprechen, darf ich mich erkundigen, was Ihr persönlich als nächster Verwandter und Beschützer von Pawlina Anikitischna gegenüber Fürst Surow zu unternehmen beabsichtigt? Er hat Ihrer Erlaucht und Eurer ganzen Familie eine schwere Beleidigung zugefügt. Entführung und Totschlag, das sind Kapitalverbrechen.«
    David Petrowitsch seufzte und rieb sich die Nase.
    »Natürlich habe ich darüber nachgedacht. Pawlina kann bezeugen, wie aufgebracht ich war, als sie mir das alles erzählte. Im Eifer des Gefechtes habe ich mich hingesetzt und eine alleruntertänigste Beschwerde an die Kaiserin geschrieben. Am nächsten Morgen habe ich sie mir mit klarem Kopf durchgelesen und habe sie zerrissen. Ihr werdet fragen, warum. Weil es keine eindeutigen Beweise gibt. Irgendwelche Räuber haben im Wald eine Kutsche überfallen und die Diener getötet. In einem der Verbrecher hat Pawlina Surows Adjutanten erkannt. Na und? Der Adjutant wird das leugnen, und andere Zeugen gibt es nicht. Wenn man natürlich diesen tollen Knirps außen vor lässt.« Dolgoruki lächelte und schäkerte mit Mitja. »Und selbst wenn es doch Zeugen gäbe. Wem wird die Kaiserin denn wohl glauben: dem von ihr angehimmelten Platon oder Euch? Sie wird den Verdacht gegen den Favoriten natürlich nicht einfach von der Hand weisen können. Aber wenn Ihre Majestät unsicher oder misstrauisch ist, dann wird sie üblicherweise wütend. Und wen wird diese Wut treffen? Diejenigen, die sich erdreisteten, unsere gottgleiche Monarchin zu betrüben. Also Pawlina sowie . . . sowie ihre Familie«, endete der Gouverneur kleinlaut.
    Es trat eine Stille ein, die nur vom Knistern der Holzscheite im Kamin unterbrochen wurde.
    »Das ist wenigstens ehrlich«, sagte Vondorin und erhob sich. »Wenn ich das Glück hätte, an Eurer Stelle zu sein, und das Recht hätte, über die Ehre von Pawlina Anikitischna zu wachen, würde ich anders handeln. Aber ich habe eben nichts zu verlieren . . .« Er verbeugte sich vor dem Hausherrn und seiner Nichte und sagte: »Ich habe mein Versprechen erfüllt und habe Euch Dmitri gebracht. Erlaubt mir, mich zu verabschieden. Die Kleidung gebe ich Eurer Erlaucht zurück, sobald ich eigene habe. Gnädige Frau, ich wünsche Euch alles erdenklich Gute. Kann ich zum Abschied ein paar Worte mit dem Jungen wechseln?«
    Die Chawronskaja stand mit einem Ruck auf und streckte Daniel ihre Hände entgegen, aber was sie ihm sagen wollte, blieb offen, denn in diesem Augenblick betrat ein Diener den Salon und meldete laut:
    »Ihre Erlaucht,

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