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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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der Wirkliche Staatsrat Metastasio aus Petersburg ist da. Er bittet, vorgelassen zu werden.«
    Pawlina fiel in den Sessel. Aus ihrem Gesicht schwand die Farbe, und das rosa Kleid stand ihr jetzt sehr viel schlechter als vorher.
    Dolgoruki dagegen erhob sich. Vondorin wedelte dem Diener mit den Händen vor der Nase herum, brachte aber vor Aufregung ebenfalls kein Wort heraus.
    Wenn das Erscheinen des Sekretärs des Favoriten die Erwachsenen so aus der Fassung brachte, wie sollte es da erst Mithridates ergehen? Er rutschte vom Sessel auf den Boden und machte sich noch kleiner, als er ohnehin schon war.
    Der Diener wich vor Daniels Gefuchtel zurück und fragte:
    »Ich soll sagen, Ihre Erlaucht empfangen nicht? Das bringe ich nicht fertig. Er ist zu mächtig.«
    »Wie kommst du denn darauf?«, fuhr David Petrowitsch dazwischen. »Bitte ihn herein.«
    Mitja stürzte Hals über Kopf zur Tür, fing sich aber auf der Schwelle und war beschämt.
    Vondorin und Dolgoruki standen finster blickend neben Pawlina Anikitischna, bereit sie vor dem Übeltäter zu beschützen.
    Na, du bist mir ja ein schöner Ritter, Mithridates!
    Und er kehrte in den Salon zurück, wenn auch nicht gerade wie ein Held. Er verdrückte sich in eine Ecke neben dem Kamin, wo es möglichst dunkel war, und zog sich auch noch hinter den Schirm zurück.
    AVff dich HERR trawe ich / mein Gott / Hilff mir von allen meinen Verfolgern / vnd errette mich.
    Das Gebet erstarb auf seinen Lippen. Selbstbewusst und gebieterisch betrat Mitjas Erzfeind das Zimmer.
    Er benahm sich ganz anders als im Winterpalais und sah auch anders aus.
    Dort hatte Jeremej Umbertowitsch ohne Unterlass gelächelt, sein Gang war federnd gewesen, er hatte sich einfach, ohne große Prachtentfaltung gekleidet.
    Jetzt aber glänzte auf seiner mit einer Schärpe bedeckten Brust ein Brillantstem. Das Kinn des Italieners war nach oben gereckt, die Absätze polterten laut auf dem Parkett, und von einem liebenswürdigen Lächeln konnte keine Rede sein.
    Metastasio musterte den Salon (auf dem Schirm vor dem Kamin hielt sich sein schwarzer Blick Gott sei Dank nicht länger auf) und sagte:
    »Hier ist ja eine ganze Gesellschaft versammelt. Alle Achtung, Gräfin. Euch kenne ich ja, Fürst. Und dieser Herr, wer ist das?«
    »Daniel Ilarionowitsch Vondorin, ein Freund von mir«, sagte die Chawronskaja möglichst fest, und ihre Stimme zitterte kein bisschen.
    Surows Sekretär wandte sich mit einem Ruck Vondorin zu und wollte ihn mit seinem Medusenblick versengen, die Blitze schossen nur so aus seinen Augen. Pikin hatte ihm offenbar von ihm erzählt. Aber Daniel hielt dem schrecklichen Blick stand und wandte seine Augen nicht ab. Nachdem er eine halbe Minute so dagestanden hatte, wandte Metastasio sich genauso ruckartig wieder von dem unerschrockenen Gegner ab und ignorierte ihn hinfort.
    Für den Austausch von Begrüßungsfloskeln mit dem Gouverneur verlor er keine Zeit. Er wandte sich direkt an Pawlina Anikitischna:
    »Madame, ich komme zu Euch im Auftrag einer höchst ehrenwerten Person (die Euch im Übrigen sehr wohl bekannt ist) und wünsche ein Privatgespräch unter vier Augen.«
    »Ich habe zu meinem Onkel und zu Daniel Ilarionowitsch volles Vertrauen«, sagte die Gräfin mit eisiger Stimme. »Wenn die von Euch erwähnte Person mich um Verzeihung bitten möchte, so muss ich sie enttäuschen. Ihr könnt ausrichten, dass . . .«
    »Wer soll denn wollen, dass Ihr ihm verzeiht?«, unterbrach Metastasio sie. »Das ist weiß Gott nicht der Grund, warum ich hier bin. Hört auf, die Jungfrau von Orleans zu spielen. Eure Sturheit macht besagte höchst ehrenwerte Person verrückt, und das ist gefährlich für die Staatsgeschäfte. Ich möchte deshalb in Eurer Gegenwart betonen«, sagte er, zu Dolgoruki gewandt, »die Widerspenstigkeit Eurer Nichte wird als Erstem Euch selber einen schlechten Dienst erweisen. Das ist eine Gelegenheit, Fürst, wo Ihr entweder steil aufsteigen oder alles verlieren könnt.«
    Der Gouverneur zuckte ob der unverschämten Drohung zusammen, erwiderte aber nichts, sondern biss sich auf die Lippen.
    »Gräfin, sobald man besagter höchst ehrenwerter Person gemeldet hatte, wo Ihr Euch aufhaltet, wollte er sofort hierher stürmen. Das wäre nun allerdings mit Sicherheit eine Tragödie für sämtliche Personen, die etwas mit dieser Geschichte zu tun haben. Ich habe ihn nur mit Mühe davon abbringen können, indem ich versprach, ich brächte Euch zu ihm. Ich bin ohne Halt hierher gesprengt

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