Der Favorit der Zarin
leidenschaftlich:
»Slächt, Mama Passja, lichtig slächt!«
Während Pawlina den nackten Mitja mit dem Handtuch ab trocknete, empörte sie sich:
»Wie die Rippen herausgucken! Wie bei einem gerupften Vögelchen! Und warum hat er dir die Haare abrasiert, dieser Unmensch! Sie waren so schön und weich, und jetzt sind sie kurz wie Katzenfell. Und er selber sieht auch unmöglich aus: grau, abgemagert, zum Weglaufen. Wie schnell ihr Männer doch verwahrlost, wenn keine Frauen in eurer Nähe sind! Daniel Ilarionowitsch sieht unmöglich aus, das muss man sagen, schlimmer als damals, als er im Wald lebte. Wenn man ihn sieht, kriegt man es mit der Angst zu tun. Und das, wo er doch eigentlich so ritterlich ist!«
In der Zeit, da sie auf Mitja gewartet hatte, hatte sie für ihn eine ganze Truhe voller Kleider gekauft; nur schade, dass es sich größtenteils um Sachen handelte, die ihn beleidigten, weil sie für kleine Kinder waren. Sie nahm ein Batist-Spitzenhemdchen in die Hand und erstarrte in dieser Pose – sie war über irgendetwas ins Nachdenken gekommen. Pawlinas Gesicht wurde besorgt und traurig.
Mitja bekam eine Gänsehaut, wartete aber geduldig. Seine Arme hingen vorne herab, die Schamgegend versteckte er, scheinbar ganz zwanglos, unter der Handwölbung. Natürlich war er für sie ein kleines Kind, aber er wusste ja Gott sei Dank, dass er kein Baby war, sondern ein Mann von reifem Verstand und ritterlichem Gebaren.
»Zu dumm«, sagte die Gräfin seufzend. »Ich bin einfach zu dumm. Ich habe mich doch vorbereitet! Habe mir vorgestellt, dass er kommt und wie ich ihn in ein gelehrtes Gespräch verwickele. Ich habe dafür nicht weniger als drei Bücher gelesen: eines über die Historie, eines über die Insekten und eines über das Allgemeinwohl. Was ich nicht verstand, habe ich auswendig gelernt. Und dann habe ich mich ihm wie das letzte Bauernweib an den Hals geworfen. Und habe ihn geküsst! Einmal sogar richtig auf die Lippen. Ach, was für eine Schande! Wo er doch ein Mann von hohen sittlichen Maßstäben ist! Er hat die Nase voll von den Schweinereien bei Hof. Was muss er von mir denken! Natürlich, dass ich leicht rumzukriegen bin und mich gerne aufdränge. Jetzt wird er mich verachten. Oder, was noch schlimmer ist, er wird mir mit schlüpfrigen Andeutungen zusetzen wie einer sittenlosen Person. Ach, Mitja, ihr Männer seid alle geile Böcke, selbst die Besten von euch. Sicher, ihr seid nicht schuld daran, Gott hat euch nun mal so gemacht. Wenn du einmal erwachsen bist, wirst dann auch du den armen Mädchen Dummheiten zuraunen und ihr Herz in Aufruhr versetzen? Na, wie ist das, wirst du das tun? Na, komm, gib’s doch zu!«
Sie fing an, ihn zu kitzeln. Mitja begeisterte sich ein bisschen, kicherte und sagte schnell:
»Mitja Hemdchen wollen. Mitja zitteln. Mitja flielen.«
Ihm war vom nackt Herumstehen ganz kalt geworden. Dass sie das nicht verstand!
»Ach, du Ärmster! Du hast ja schon eine Gänsehaut! Nimm die Hände hoch!«
Nichts zu machen, er musste sie hochnehmen. Er errötete vom Scheitel bis zur Sohle.
Sie sah gar nicht hin, beziehungsweise, sie guckte schon, aber woandershin. Und erstarrte auf einmal wieder wie vorhin.
»Ich muss es folgendermaßen machen. Ich muss einen anderen Ton anschlagen, förmlicher mit ihm reden. Dann wird er schon sehen, dass er sich geirrt hat und ich nicht so ein loses Weib bin. Stimmt’s, mein Schatz?«
Was sollte er denn machen, wenn sie kein Russisch verstand?!
Mitja fing an zu weinen.
Später saßen sie am Kaffeetisch im Salon und warteten auf Daniel. Festlich angezogen und sauber gewaschen, nutzte Mitja sein Vorrecht als Kleinkind und verputzte schon das dritte Kuchenstück. Pawlina, ganz in Rosa gekleidet, rührte nichts an.
»Hätte ich mich besser nicht umziehen sollen?«, fragte sie schon das zweite Mal. »Rosa steht mir eigentlich, aber ob es nicht zu knallig ist? Es ist ja fast schon Abend.«
»Eine wundelssöne Flau«, versicherte ihr Mithridates und log kein bisschen.
Vondorin kam herein, sah die Chawronskaja und erstarrte. Sie beruhigte sich sofort, sie konnte an seinem Gesicht ablesen, dass sie schön war. Förmlich zeigte sie auf den Sessel, der am weitesten von ihr entfernt war, und sagte:
»Setzt Euch, gnädiger Herr. Da ist es bequemer. Ja, jetzt seht Ihr wieder aus wie ein vornehmer Mann.«
Daniel war wirklich nicht wiederzuerkennen. Er hatte sich nicht nur gewaschen, rasiert und sich das Toupet gekämmt, sondern er hatte sich auch
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