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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Ihr kennt doch die Gelübde.«
    »Was denn für Gelübde!? Es gibt keine Freimaurer mehr in Russland! Alle Logen sind aufgelöst!«
    Der Fürst presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf.
    »Ich sage nichts mehr, da könnt Ihr mich töten.«
    »Das tue ich auch! Betet!«
    Im Unterschied zu Pikin lehnte es David Petrowitsch nicht ab zu beten, aber das Gebet, das er sprach, war seltsam; Mitja hatte so eins noch nie gehört.
    »Allgütiger Vernichter des Satans, ich bin in Dir, Du bist in mir. Amen«, flüsterte der Fürst mit geschlossenen Augen
    »Wie bitte?«, fragte Daniel erstaunt. »Das ist doch die Losung der Satanophagen!«
    Dolgoruki zuckte zusammen und fragte:
    »Ihr . . . Ihr kennt sie also ? !«
    »Ja, man hat mir angetragen, der Bruderschaft der Satanophagen beizutreten, und ich habe es sogar bis zum ersten Grad gebracht und bin gehorsamer Schildknappe geworden, aber . . .«
    »Ach so! Das ist etwas anderes!« Dolgoruki drehte den Ring am Finger und zeigte ihn Daniel. »Wenn Ihr Schildknappe seid, dann müsst Ihr mir gehorchen. Seht Ihr das Zeichen des vierten Grades?«
    Vondorin ließ den Frack des Fürsten los und legte den Krug aus der Hand.
    »Ihr habt die Geschichte nicht zu Ende gehört. Ich bin dem Orden nicht beigetreten und zwar aus zwei Gründen. Erstens stand mir damals nicht der Sinn nach dem Allgemeinwohl, ich war auf der Suche nach meinem verschollenen Sohn. Zweitens kam ich zu der Überzeugung, dass Eure Freimaurerlinie falsch ist und in die Irre führt. Ich glaube nicht daran, dass man die Menschen gegen ihren Willen, mit Gewalt bessern kann.«
    »Nicht falsch, sondern richtig!«, protestierte David Petrowitsch hitzig. »Alle anderen Orden und Logen beschäftigen sich mit Schaumschlägerei, dunklen Machenschaften, Gesellschaftsspielchen. Wir dagegen existieren nur, um das Böse auszumerzen, ohne Rücksicht auf das eigene Leben! Wie kommt es, dass Ihr das mit Eurem Verstand und Eurer Gelehrtheit nicht versteht? Wir Satanskämpfer sind die Erwachsenen, während alle um uns herum sonst Kinder sind. Die Pflicht eines erwachsenen Menschen besteht darin, die Kinder zu belehren, auch wenn diese sich dagegen wehren, weil ihr Verstand noch nicht weit genug entwickelt ist!«
    »Ich habe gerade eben gesehen, wie Ihr ein Kind belehren wolltet. Also, wer hat Euch den Brief geschickt? Ein Ordensbruder höherer Weihen?«
    Der Fürst schwieg; er war im Zweifel, ob er antworten sollte. Die Tatsache, dass Daniel von dem geheimnisvollen Orden wusste, brachte seine Standfestigkeit ins Wanken.
    »Nein. Zu diesem . . . Wesen«, sagte er schließlich und blickte ängstlich auf Mitja, »traf eine Depesche von einer höheren Instanz ein.«
    »Vom Ordenskapitel?«
    »Von einer noch höheren Instanz«, sagte der Gouverneur leise; er wurde mit jedem Augenblick sicherer und fügte hinzu: »Von allerhöchster Instanz.«
    »Dmitri soll den Zorn des Großen Magiers erregt haben?«, sagte Vondorin und schaute auf Mitja, ohne Angst, eher mit Interesse. »Wie das?«
    »Das weiß ich nicht. Aber das Schreiben stammt vom Großen Magier.« David Petrowitsch hob feierlich den Zeigefinger. »Mit dem Kappungszeichen! Da kann ich doch nicht den Gehorsam verweigern! Ich bin ein Ordensbruder des Abrahamsgrades, ich habe das dritte Gelübde abgelegt!«
    »Was heißt das, das dritte Gelübde?«
    »Das wisst Ihr nicht? Ach so, stimmt ja. Ihr seid ja nicht höher als bis zum ersten Grad gekommen, das ist noch keine richtige Mitgliedschaft. Je höher der Grad, desto strenger und selbstloser ist der Gehorsam. Die jungen Ritter, die Brüder des viel geprüften Hiob, legen ein ganz einfaches Gelübde ab: die Anordnung der Oberen ohne Murren auszuführen. Der dritte Grad, die Jesusbrüder, schwören, sich ans Kreuz nageln zu lassen, wenn es sein muss. Die wie ich den vierten Grad erreicht haben, verbürgen sich dafür, dass sie auch den eigenen Sohn für das Gute töten würden, wie der biblische Abraham. Der fünfte heißt Faustgrad, und worin das Gelöbnis besteht, weiß ich nicht.«
    »Das ist doch nicht schwer zu erraten«, sagte Vondorin achselzuckend. »Auf Anordnung der Oberen auf die eigene Seele zu verzichten. Das ist das, womit der grenzenlose Kampf für das Gute eigentlich immer endet. Und wer ist Euer Großer Magier?«
    Der Fürst lachte, als hätte Daniel einen nicht ganz anständigen, aber recht lustigen Witz erzählt.
    »Ich weiß nur, dass der vorige Große Magier im vorletzten Jahr starb, nachdem er seinen

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