Der Favorit der Zarin
großen, großen Haus wohnen, in einem, das sehr viel größer ist als meins? Du wirst da alles haben: das Spielzeug, das du möchtest, aber auch richtige Pferde. Und wenn du willst, sogar einen echten Elefanten. Weißt du, was das ist, ein Elefant? So etwas wie ein Riesenschwein, groß wie eine Kutsche, mit solchen Ohren und mit einem langen, langen Rüssel.« Er gab sich komisch Mühe, Segelohren vorzuführen, und zog sich die Nase lang. »Und wenn der erst mal loslegt und trompetet, pooo! Na, möchtest du den?«
»Ja, ich habe mal einen Elefanten gesehen, der wurde die Millionnaja Uliza entlanggeführt«, sagte Mitja in normaler Sprache, ohne Kindergelispel. Was sollte er sich jetzt noch verstellen?
Aber der Fürst bemerkte die veränderte Sprache des Knaben nicht – er war mit etwas anderem beschäftigt.
»Was für ein kluger Junge du bist, alles weißt du! Wenn Pawlina dich fragt (und das kann durchaus sein, denn bei Frauen kommt es vor, dass sie bei etwas Wichtigem ein Kind zu Rate ziehen): › Sag, Mitja, soll ich mein Leben ändern oder nicht? ‹ , oder zum Beispiel: › Soll ich zu ihm fahren, oder soll ich zu Hause bleiben ? ‹ , dann antworte ihr unbedingt: › Na klar, sollt Ihr Euer Leben ändern; na klar, fahrt zu ihm. ‹ Versprichst du mir das?«
»Reißt Euch mal kein Bein aus, gnädiger Herr. Die Entscheidung ist längst gefallen«, wollte Mithridates ihm antworten, ließ es aber. Sollte der sich mal lieber nicht zu früh freuen!
»Versprich es mir, sei ein lieber Junge.« Der Fürst strich ihm über den kahl geschorenen Kopf. »Ach, du ahnst es nicht. Du hast dir den Scheitel mit Kreide beschmutzt. Komm, ich wische es weg.«
Er wollte ein Tuch aus der Tasche holen, aber Mitja entgegnete ihm:
»Spart Euch die Mühe, Erlaucht. Das ist keine Kreide, sondern eine graue Haarsträhne, ein Fehler in der natürlichen Pigmentierung.«
Er drückte sich absichtlich so hochgestochen aus, um David Petrowitsch zu imponieren.
Zwar hatte er damit gerechnet, dass dieser beeindruckt sein würde, aber dass ihm der Unterkiefer nicht nur herunterklappen, sondern dieser sogar zittern würde, das hatte er nun doch nicht beabsichtigt. Und das war noch nicht alles: Der Gouverneur sprang aus dem Sessel, wankte nach hinten und stammelte wirr:
»Nein! Das kann nicht sein! Nein! Wieso ausgerechnet ich? Das bringe ich nicht fertig . . . Aber die Pflicht. . .«
Die Verwunderung war etwas übertrieben.
Mitja fixierte den zur Salzsäule erstarrten Fürsten und spürte auf einmal, wie er eine Gänsehaut bekam.
Diesem besonderen Blick, voller Entsetzen und Abscheu, begegnete er nicht zum ersten Mal, er hatte ihn schon zweimal gesehen: im Gasthof von Nowgorod und in Sonnenstadt.
Schon wieder ein Kinderschänder oder ein Wahnsinniger?
Gleich würde er sich auf ihn werfen und ihn würgen!
Mitja sprang zur Tür.
»Halt!«, schrie der Gouverneur, der sich ein falsches Lächeln abrang und hinter ihm her humpelte. »Warte, ich möchte dir etwas zeigen . . .«
»Schon gut, ich sehe es ja auch von hier«, wollte Mitja antworten, doch kaum hatte er den Mund aufgemacht, da fuchtelte Dolgoruki mit den Händen und bedeutete ihm:
»Halt den Mund! Halt den Mund! Ich will nichts hören! Das ist verboten!«
Und er hörte auf, den Freundlichen zu mimen, und holte mit dem Stock zum Schlag aus.
Mitja stieß die halb geöffnete Tür auf, huschte ins Nebenzimmer, rannte schnell zur nächsten Tür und schrie verzweifelt:
»Daaaniel! Daaaniel!«
Die anderthalb Klafter hohe Tür war zwar nicht verriegelt, aber fest geschlossen. Erst als er sich mit dem ganzen Körper an die Klinke hängte, gab der schwere Türflügel nach.
Während er mit der Tür kämpfte, kam ihm David Petrowitsch, der sein gichtkrankes Bein nachzog, ganz gefährlich nahe. Er hätte ihn beinah am Kragen gepackt.
Im nächsten Zimmer wiederholte sich dasselbe: Erst konnte sich Mitja von seinem Verfolger losreißen, aber als er die Tür öffnete, kam es zu einer Verzögerung; um ein Haar wäre er geschnappt worden.
Ständig nach Daniel rufend, arbeitete sich der arme Flüchtende immer weiter durch die nicht enden wollende Zimmerflucht vor; er hatte schon vergessen, das wievielte Zimmer und die wievielte Tür es waren. Er ahnte schon, was kommen würde: Eines der Zimmer würde schließlich so klein sein, dass der humpelnde Verfolger sein Opfer einholen würde.
»Bleib doch endlich stehen!«, zischte David Petrowitsch, der vor Schmerzen stöhnte und zeitweise auf
Weitere Kostenlose Bücher