Der Favorit der Zarin
Große Magier eines Geheimordens!
»Aber was hat sich denn der Fürst dabei gedacht?«, rief Vondorin und schüttelte ungläubig den Kopf. »Und Miron Ljubawin? Das sind doch aufgeklärte Menschen! Was für Gesandte des Satans, was für Teufelchen? Besinnt Euch, Eure Erlaucht! Wir leben ja schließlich nicht mehr im Zeitalter von Ignatius von Loyola, sondern am Ende des achtzehnten Jahrhunderts!«
»Was für Gesandte des Satans?«, wiederholte David Petrowitsch und wunderte sich über die Absurdität der Frage. »Wer ist es denn Eurer Meinung nach, der halb Europa mit Blut überschwemmt hat? Auf wessen Betreiben werden denn in der Heimat der Aufklärung die Häupter auf dem Schafott abgeschlagen, als wären es Kohlköpfe? Das liegt an ihm, dem Menschenfeind, das sind seine Ränke! Er wittert, dass seine Zeit naht. Ich glaube nicht an Gott, aber an den Teufel glaube ich, denn ich sehe stündlich seine Taten, während ich von denen Gottes absolut nichts sehe. Überall herrschen das Böse, die Raffgier, die Unwahrheit, die Demütigung des Schwachen durch den Starken. Und wo ist Gott? Nein, gnädiger Herr, wir Menschen müssen mit dem Satan ganz alleine fertig werden, da hilft uns keine Himmelsmacht. Der Satan ist listig, erfinderisch und hat viele Gesichter. Was war denn Pugatschow anderes als sein Gesandter? Und der Graf Cagliostro? Oder Marat und Robespierre? Die Satanskämpfer setzen alles daran, eine Festung der Harmonie und Sittsamkeit zu errichten, der Teufel aber schaufelt Laufgräben und legt Minen. Beelzebub, das ist nicht der, der Hufe und Hörner hat. Er kommt mal als Süßholz raspelnder Denker daher, mal als schöne Jungfrau, mal als Ehrfurcht gebietender Greis. Manch einer wacht morgens auf, schaut in den Spiegel und findet da statt seines Spiegelbilds den Satan. Denn der Satan ist auch in unserem Inneren! Dann braucht man sich doch nicht zu wundern, dass er für seine Belange die Gestalt eines Kindes wählt! Das ist doch schlau – wer fürchtet sich schon vor einem unschuldigen Kind?«
»Aber was soll das denn? Wozu das alles?«, fragte Daniel und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Was soll diese freiwillige Verblendung?«
»Das weiß ich nicht«, unterbrach ihn Dolgoruki. »Mir reicht es, dass der Würdigste und Weiseste unter uns, der Große Magier, das weiß. Blind, das seid Ihr, gnädiger Herr! Das Teufelchen hat Euch bezirzt, wie es zuvor Pawlina bezirzt hat! Besinnt Euch! Hindert mich nicht, sondern helft mir lieber, diesen Salamander zu zerquetschen! Schaut, was er für Augen hat! Solche Augen haben Kinder nicht!«
Er zeigte mit zitterndem Finger auf Mitjas Gesicht.
Daniel schaute und seufzte.
»Ja, für einen siebenjährigen Jungen hat er ungewöhnliche Augen. Sie sind zu traurig, weil Dmitri mit seinen wenigen Jahren schon viel Böses und Abscheuliches gesehen hat. . . Das wird eine schöne Festung der Harmonie und Gerechtigkeit, wenn ihr als Mörtel für ihren Bau das Blut von Kindern benutzt. Denkt mal in Eurer Freizeit darüber nach.«
Er ließ den Ellenbogen des Fürsten los und trat zurück.
»Ich rühre Euch nicht an, obwohl Ihr eine Bestrafung verdient. Bedankt Euch bei Eurer Nichte dafür. Aber ich fordere, dass Ihr auf der Stelle die Meldung in die Welt setzt, dass der gesuchte Knabe gefunden ist, damit die Jagd nach ihm sofort eingestellt wird.«
»Das geht nicht! Ihr versteht nicht, Unglücklicher . . .«
»Schweigt!«, fiel ihm Vondorin mit erhobener Stimme ins Wort. »Ich weiß, dass man in Eurem Orden Befehlen nicht widerspricht. Ich weiß aber auch, dass man Eurem Großen Magier sehr bald ein Lösegeld für Dmitri zahlen wird . . .« Er hustete und fuhr fort: »Ein hohes Lösegeld. Er wird das Urteil widerrufen. Dafür, dass das eintritt, gebe ich Euch das Wort Daniel Vondorins.«
Der Fürst kniff die Augen zu.
»Ich sehe, gnädiger Herr, Ihr wisst etwas, was ich nicht weiß. Und da man Euch ansieht, dass Ihr ein Mann von Ehre seid, glaube ich Euch. Aber was ist, wenn Ihr Euch irrt?«
»Dmitri zu finden, wird nicht schwer sein. Ich bringe ihn jetzt auf sein Familiengut, in das Dorf Trost im Gebiet von Swenigorod. Wir bleiben keine Sekunde länger in Eurem Haus.«
»Nicht doch!«, rief der Gouverneur. »Ich kann gut verstehen, dass es Euch nach den Vorkommnissen unangenehm ist, Euch mit mir zusammen unter einem Dach aufzuhalten, aber ich flehe Euch an, bleibt doch wenigstens bis morgen früh. Wo wollt Ihr in der Dunkelheit denn hin? Ich reise selber auf der
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