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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Nachfolger ernannt hatte. Wer das ist, das weiß nur einer, nämlich der Nachfolger. Die Mitglieder des Ordenskapitels sehen den Großen Magier nur ein einziges Mal, wenn er geweiht wird, aber er nimmt seine Maske bei dem Zeremoniell nicht ab. Danach bekommen sie von ihm nur Anweisungen und Sendschreiben. Als Abrahamsbruder sind mir drei Ritter des dritten Grades unterstellt, deren Namen Ihr nicht zu wissen braucht. Über mir steht der Faustbruder, dessen Namen ich Euch erst recht nicht verrate. Der Brief des Großen Magiers ging erst an ihn und über ihn an mich.«
    Daniel packte den Gouverneur wieder, diesmal am Ellenbogen.
    »Erzählt, was in dem Brief stand! Nein, zeigt ihn lieber!«
    »Glaubt Ihr mir nicht?«, fragte Dolgoruki und lächelte bitter. »Denkt Ihr etwa, ich wäre selber auf die Idee gekommen, mit dem Dolch in der Hand hinter dem Kleinen herzujagen? Mit meiner Gicht! Gut, kommt mit. Der Brief ist in meinem Arbeitszimmer. Aber unter einer Bedingung.« Er schielte auf Mitja. »Der da muss die ganze Zeit dabei sein, er darf unter keinen Umständen frei rumlaufen.«
    »Nein, ich lasse ihn jetzt nicht mehr von meiner Seite«, versprach Vondorin, nahm Mithridates an die Hand und drückte leicht zu, um ihm zu verstehen zu geben, er brauche keine Angst zu haben.
    Mitja hatte längst keine Angst mehr. Wovor sollte er denn Angst haben, wenn Daniel bei ihm war? Nur der Kopf drehte sich ihm. Was für Satanophagen? Was für ein Großer Magier? Was wollten sie von einem siebenjährigen Jungen?
    Sie gingen wieder durch die leeren Zimmer. Sowohl Dolgoruki als auch Daniel humpelten: der Erste wegen seiner Gicht, der Zweite, weil er nur einen Schuh anhatte.
    Der Fürst musterte Daniels Füße.
    »Wolltet Ihr schon zu Bett gehen? Aber warum in der Bibliothek? Stimmt etwas nicht mit dem Zimmer, das ich Euch zugewiesen habe?«
    »Spart Euch das unnötige Gerede!«, schrie Vondorin ihn drohend an. »Ich brauche den Beweis, damit ich sehe, dass Ihr nicht lügt!«
    Im Arbeitszimmer Öffnete der Gouverneur ein Geheimfach, das sich hinter dem Porträt der Kaiserin befand, nahm eine Schatulle heraus und entnahm der Schatulle ein schmales Paket. Er küsste es und übergab es Daniel.
    »Da, lest selbst.«
    Vondorin entfaltete den Brief und überflog ihn. Sein Gesicht nahm einen angeekelten Ausdruck an.
    »Aha, ich glaube, ich weiß, wer Euer Großer Magier ist. Hör mal zu, Dmitri, was für eine interessante Epistel. Vom Vater und Großen Magier an die Mitglieder des Ordenskapitels und an die Faust- und Abrahamsbrüder, die sich in den Hauptstädten oder auf dem Weg zwischen ihnen befinden, im Nowgoroder und Twerer Gebiet. Die Sache, der wir dienen, ist in tödlicher Gefahr. Die Ränke des Satans sind unerschöpflich. Um uns zu vernichten, hat dieser diesmal einen Beauftragten gesandt, der wie ein kleiner Knabe aussieht, im Wesen aber ein Teufel ist. Zu erkennen ist er an Folgendem: Größe – ein Arschin und drei Werschok, Gesichtsform – rund, Haarfarbe – braun, Augenfarbe – braun, besondere Kennzeichen – Luziferzeichen auf dem Kopf in Form eines grauen, anderthalb Werschok großen Kreises; Sprache – nicht wie kleine Kinder; sondern wie ein Wissenschaftler. Ich befehle, diesen Teufelszwerg, der auf dem Weg von Sankt Petersburg nach Moskau ist, zu suchen und, sobald gefunden, stante pede zu vernichten. Seine Reden dürfen nicht gehört werden, denn sie sind voll Lüge und Versuchung. Er ist ohne das geringste Zögern und Zweifeln zu zerquetschen wie eine giftige Schlange. Den Brüdern unter dem Abrahamsgrad, die nicht die hohen Gelübde abgelegt haben, sei ebenfalls befohlen, diesen Teufel zu suchen, aber sie dürfen nichts gegen ihn unternehmen, und erst recht darf sich keiner auf ein Gespräch mit ihm einlassen, sondern sie haben nur dem über ihnen stehenden Ritter Meldung zu machen. Dieser hat den Feind dann eigenhändig zu vernichten. Unterschrift: ein Doppelkreuz, das Kappungszeichen also; das ist das Siegel des Großen Magiers, man hat mir davon erzählt. Na, was sagst du dazu, Dmitri?«
    »Das kann doch nicht . . .?«, empörte sich Mithridates ächzend.
    »Doch, sieht fast so aus. Ganz schön geschickt, unser schwarzäugiger Freund, oder? Er ist wirklich ein Zauberer, ein Zirkusartist. Er müsste seine Tricks auf der Kirmes vorführen!«
    Mitja war ganz erstarrt. Das war Metastasio, der rastlose Italiener! Die Macht, die er als Busenfreund des Favoriten hatte, war ihm zu wenig; er war also auch noch der

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